Lautmalerei

Onomatopoesie + Inflektiv

Ich trap-trap-trabte auf der Straß
in einem grünen (seufz!) Gewand.
Die Ampel (klick!) wird rot – na was!
Schnell rüber bin ich g’ratt-tatt-tannt!

(stöhn…; Onomatopoesie [Onomatopoeia]: Lautmalerei; es gibt auch anspruchsvolle Lautmalerei: “Singt ein Lied so süß gelinde, / Wie die Quellen auf den Kieseln, / Wie die Bienen um die Linde / Summen, murmeln, flüstern, rieseln.” [Clemens Brentano Wiegenlied, 1852]; vergleiche → Alliteration, Assonanz und Klangdehnung; Inflektiv: ungebeugtes Zeitwort; ein “beschnittener” Infinitiv [ohne -en Endung”]: “seufz!”, “klick!”; meist im Comic, in der Karikatur oder im Cartoon; ein Inflektiv kann sogar ein Objekt oder ein Adverb “mitschleppen” [“kopfkratz”]; auch bei Smileys [*totlach*]; vergleiche ↪ Einwurf in “Humor”)

Floskeln

Apophthegma, Sentenz

Lilane Socken tragen die Herrn,
grün ist die Hoffnung, grün trag ich gern,
wandele wohl auf den Spuren des Lebens,
viel sind der Wege – keiner vergebens.

Plötzlich seh ich nur noch Rot.
Bleib ich treu bis in den Tod?
Liebe ist ein Abenteuer.
Guter Rat, heut bist du teuer.
Lässt man mich im Regen stehn?
Werde kurz mal rübergehn.
Time ist Money, time is rare,
auch im deutschen Dienstverkehr!

Lilane Socken


Immer gilt es, nicht nur heute:
Grüne Kleider machen Leute.
Schau, das Rot hat nie gestört,
wenn man’s hinters Licht geführt.
Sicher wäre ich wohl dumm,
kehrt auf halbem Weg ich um.
Grün ist – dieser Satz steht fest –
stets das Rote, das man lässt.

KLeider machen Leute


Da überholte mich ein flinker Hase.
Mir wurde grün vor Augen und vor Neid.
Dann sah ich Rot und fiel auf meine Nase
Mir wurde schwarz vor Ärger und vor Leid.

Schwarz


Mein grünes Hemd, das hat mehr Biss,
mehr Schuss, mehr Schneid – es hat mehr Schmiss,
und mancher, der es sieht, ist platt,
da dieses Hemd gewiss was hat.

Aha, was steht den heut ins Haus?
Wieso geht hier das Rot nicht aus?
He, Ampel, sag mal, liegt was an?
Bleibt ewig rot – oh Mann, oh Mann!

Jetzt reichts mir aber gleich. Na wart!
Ich gehe rüber knall und hart!

Tennis


Heute bin ich leitend tätig.
Ich vermag, was zu verfügen.
Ich verwalte ein Vermögen.
Betteln habe ich nicht nötig.

Und ich lebe in dem Glauben,
will man es zu etwas bringen,
muss man doch vor allen Dingen
die Erwartung höher schrauben.

Ja, man soll sich kultivieren,
auch im Äußerlichen pflegen.
Geht man nur in grünem Regen-
mantel, muss man sich genieren.

Doch wer’s kann darf sich was trauen
und ich selbst bin niemals feige,
da ich zu der Ansicht neige,
Unverzagtheit ziert den Schlauen.

Ja, ich spiel mit offnen Karten
und ich fahre einen Porsche,
denn im Leben braucht der Forsche
auch bei Rotlicht nicht zu warten.

Porsche


Es ging die Kuh mal durch ihr Kaff,
sah eine rote Scheune
und muhte: “Ach, du grüne Neune!
Da bin ich aber baff!

Hier steht ja glatt ein rotes Haus.
Ich denk, mich tritt ein Pferd!
Die Welt ist heute ganz verkehrt,
das hälste echt nich aus!

Da schnallste ab, da schlägste hin,
das is ja nich zu fassen!
Die haben doch nich alle Tassen
im Schrank; da is nix drin!”

Sie machte noch ein lautes “Muh!”,
da war die Scheune weg.
Es murmelte ein “ach tu Schreck…”
die abgeschnallte Kuh.

Pferd tritt Kuh

(die Floskel, das Blümchen, ursprünglich ein blühender Sinnspruch, versteinert rasch zum Gemeinplatz und zur albernen Redensart; man kann sie aber wieder zum Leben erwecken, indem man sie umdreht, verändert oder in einen falschen Zusammenhang bringt; → auch Überflüssige Wörter und Füllwörter in “Geistlos”)

Füllungen

Expletiv

Ich ging, so mein ich, auf der Kantallee
und trug, bestimmt, mein grünes Zeug.
Das war nun, glaub mir, eine Schnapsidee,
und keine gute, sag ich euch.

Nun, ich befürchte, dass da vorne dann
die Ampel war und, in der Tat,
sie stand, gewiss, auf Rot, so dass ich, Mann,
da stehenblieb wie’n Zinnsoldat.

Na als ich da so, weißte, an dem Ding
‘ne Stunde stand, und schließlich doch,
verdammt noch mal, dann endlich doch noch ging,
wurd’s Grün, als ich da rüberkroch.

Zinnsoldat


Hm,
ich hab so’n,
weißte, so’n Hemd,
du verstehst, was ich meine, so’n knallgrünes Hemd,
und, pass auf,
als ich da an dieser, dingsda, Ampel steh,
ist die rot,
nicht,
und da hab ich mir gedacht,
wennde schon son rotes, ich meine son grünes, Hemd anhast,
kannste dann rübergehen,
bei Rot.

(hm, Füllwörter, … du verstehst …; Expletiv [Expletivum]: hier Ergänzungen ohne eigentliche Bedeutung; Verlegenheitswörter, Flickwörter, aber auch betonende, manchmal sogar vulgäre Wörter: “verdammt noch mal”; → auch Redundanz, Überflüssige Wörter und Floskeln in “Geistlos”; die schrulligsten Beispiele sind — aufgemerkt nun also — die Füllwörter, die Heinrich Mann seinem Professor Unrat in den Mund legt: “[Prof. Rat] hielt seine Ansprachen in dem Stil, den auch [seine Schüler] in solchen Fällen angewendet haben würden, nämlich in latinisierenden Perioden und durchwirkt mit »traun fürwahr«, »denn also« und ähnlichen Häufungen alberner kleiner Flickworte, Gewohnheiten seiner Homerstunde in Prima; denn die leichten Umständlichkeiten des Griechen mußten alle recht plump mitübersetzt werden.”; hier einige Beispiele: “Unrats Brust arbeitete heftig; schließlich sagte er mit seiner begrabenen Stimme: »Es ist mir da vorhin immer mal wieder ein Wort [“Unrat!”] zugerufen worden, eine Bezeichnung — ein Name denn also: ich bin nicht gewillt, ihn mir bieten zu lassen.«”; “Ein Mensch, mit dem es dahin gekommen war, daß er diese — gewiß denn freilich — Künstlerin Rosa — Rosa — Er griff zum drittenmal nach Lohmanns Heft.”; “sagen Sie mir — vorwärts denn also! — ob die Barfußtänzerin Fröhlich schon eingetroffen ist!”; “Die Künstlerin Fröhlich trinkt — traun fürwahr — mit niemand.”; “Das ist Ihr Ende, Sie Elender! Rechnen Sie sich — immer mal wieder — zu den Toten!”; vergleiche ↪ Einwurf in “Humor”)

Blaue Engel

Marlene Dietrich als “Lola Lola” [“Künstlerin Fröhlich”]
und Emil Jannings als Professor Immanuel Rath
in Josef von Sternbergs Der blaue Engel, 1929

Entwürdigende Bezeichnungen

Tapinosis

Ich hab ‘nen Fetzen auf dem Leib,
der schimmert grün wie Schimmel.
Wenn ich in dieser Gasse bleib,
dann krieg ich gleich ‘nen Fimmel.

Ojeh, die Funzel steht auf Halt,
da gibts wohl nix zu lachen.
Ach geh! Ich bin ja nicht beknallt,
ich werd mich rübermachen!

Da, dies ausgeflippte Grün!
Mensch wie kann der bloß so gehn?
Gott, mit diesen grauen Haaren!
Is ja geil! Echt abgefahren!
Rennt bei Rot die trübe Tasse!
Find ich aber nich so Klasse.

Da läuft der alte Junge neulich
in grüner Weste – ganz abscheulich.
Der läuft ja auch bei Rot noch glatt,
weil er se nich mehr alle hat!

Ne grüne Jacke trug der Geck.
Der hatte aber einen weg!
Stolziert auch prompt bei Rotlicht rüber.
Da trüg er man ‘n Rothemd lieber.

Schattenfigur

(unsere Lieblingsfigur; Tapinosis [Tapeinosis, Meiosis]: abwertend; würdelos, “Gassensprache”; → auch Beleidigung in “Pompös” und Gemeine Vorurteile in “Abwertend”; Kurt Tucholsky Heinrich Zille, 1929:

Zweeter Uffjang, vierta Hof
wohnen deine Leute;
Kinder quieken: »Na, so dof!«
jestern, morjn, heute.
Liebe, Krach, Jeburt und Schiß …
Du hast jesacht, wies is.

Kleene Jöhren mit Pipi
un vabogne Fieße;
Tanz mit durchjedrickte Knie,
er sacht: »Meine Sieße!«
Stank und Stunk, Berliner Schmiß …
Du hast jesacht, wies is.

Jrimmich wahste eijntlich nich –
mal traurich un mal munta.
Dir war det jahnich lächalich:
»Mutta, schmeiß Stulle runta –!«
Leierkastenmelodien …
Menschen in Berlin.

Int Alter beinah ein Schenie –
Dein Bleistift! na, von wejn …!
Janz richtich vastandn ham se dir nie –
die lachtn so übalejn.
Die fanden dir riehrend un komisch zujleich.
Im übrijen: Hoch det Deutsche Reich!

Malen kannste.
Zeichnen kannste.
Witze machen sollste.
Aba Ernst machen dürfste nich.
Du kennst den janzen Kleista –
den ihr Schicksal: Stirb oda friß!
Du wahst ein jroßa Meista.
Du hast jesacht, wies is.
)

Zille

Heinrich Zille und Kurt Tucholsky

Kritischer Kommentar

Epikrise

Er sagt: “Gekauft für hundert Mark –
das grüne Hemd!” Das ist doch Quark!

Er sprach: “Nur flott bei Rot gerannt!”
Na, dass der spinnt ist ja bekannt!

Kandidat Jobs

“Über diese Antwort des Kandidaten Jobses
Geschah allgemeines Schütteln des Kopfes.”
Urteilsspruch: “Mit Herrn Hieronymus ist es nichts.”
(Wilhelm Busch; Knittelverse von Carl Arnold Kortum, 1783)

(Epikrise [Epicrisis]: Beurteilung; Zitat und Kommentar; → auch Anekdote mit Zitat; auch Krankheitsbericht oder Kritik; hier ist aus einer Kritik von Robert Schumann, 1854, über die Studien für das Pianoforte von J. N. Hummel. W. 125.: “Nun tritt Hummel heran. — Eusebius, ich sag’ es gerade heraus, die Etuden kommen etliche Jahre zu spät. Wirst du, wenn du reife, goldne Früchte die Fülle hast, dem verlangenden Kind bittre Wurzeln geben? Lieber führ’ es gleich in die reiche, frühere Welt seiner Werke, daß es trinke am Geist und an der Phantasie, die da in tausend Farben spielen. / Wer dürfte läugnen, daß die meisten dieser Studien meisterhaft angelegt und vollendet sind, daß in jeder ein bestimmtes Bild ausgeprägt ist, daß endlich alle in jener Meisterbehaglichkeit entsprungen sind, welche eine lange, wohlverlebte Zeit giebt? — Aber das, wodurch wir die Jugend anreizen, daß sie über der Schönheit des Werkes die Mühsamkeit es sich eigen zu machen, vergesse, fehlt durchgängig: — der Reiz der Phantasie. […] – Florestan”)

Gesammelte Schriften

Polemische Attacke

Argumentum ad hominem

Die grüne Sonnenbrille passt!
Der Gauner kam grad aus dem Knast.

Du sagst, er ist bei Rot gelaufen?
Kein Wunder, denn er tut nur saufen!

Gauner 2

(hier: Vorurteil, vom menschlichen Charakter her argumentierend: “HAUSHOFMEISTER. Warum behandelst du mich so? Ich kenne dich nicht. / KENT. Kerl, ich kenne dich. / HAUSHOFMEISTER. Wer bin ich denn? / KENT. Ein Schurke bist du, ein Halunke, ein Tellerlecker; ein niederträcht’ger, eitler, hohler, bettelhafter, dreiröckiger, hundertpfündiger, schmutziger, grobstrümpfiger Schurke; ein milchlebriger, Ohrfeigen einsteckender Schurke; ein lüderlicher, spiegelgaffender, überdienstfertiger geschniegelter Taugenichts; einer, der aus lauter Diensteifer ein Kuppler sein möchte, und nichts ist, als ein Gemisch von Schelm, Bettler, Lump, Kuppler und der Sohn und Erbe einer Bastardpetze; einer, den ich in Greinen und Winseln hineinprügeln will, wenn du die kleinste Silbe von diesen deinen Ehrentiteln ableugnest.” [Shakespeare King Lear]; ↪ auch Beleidigung in “Pompös”; weitere polemische Argumente ↪ Argumentum ad baculum, Argumentum ad ignorantiam, Argumentum ad misericordiam)

King Lear

Falsche Grammatik

Enallage

Da schau: Hier schleicht ich durch den Schlamm.
Ich trägt das grüne, den Klamotten,
wo sich die Läuse schon verrotten
und meine Härchen braucht ‘nen Kamm.

Sag bloß, da ist schon wieder Rot!
Die kann mich mal, die blöde Ampeln!
Soll King Kong alle niedertrampeln!
Ich geh, mir sind ja nicht marod.

King Kong

(1933)

([oft ist “Enallage” nur ein Synoym von “Hypallage” → Verwechslung in “Selt aber würdig”]; hier falscher Fall, man ist nicht mehr Enallage, richtig zu sprechen…; hier ist ein Beispiel im “Berlinerischen” aus Alfred Döblins Berlin Alexanderplatz: »Was hilfts, in der Fabrik nehmen sie einen auch nich mehr. Und voriges Jahr haben sie mir noch operiert, in Lichtenberg, Hubertuskrankenhaus. Ein Ei ist weg, soll tuberkulös gewesen sein, ick sage dir, ick hab noch Schmerzen.« »Na, sieh dir man vor, nachher kommt das andere auch noch ran. Da ist besser sitzen, da wirste besser Droschkenkutscher.«; → auch Gemeine Voruteile und Klischees in “Abwertend”)

Beckmann

Max Beckmann: Die Nacht, 1918

Gemeine Vorurteile und Klischees

Gemeinplatz (+ Enallage)

Was läuftn bloß für lächerliche Typen
hier rum mit grünes Zeuch und graue Haaren!
Man sollte die verhaften! Die Polypen
sind auch nich mehr, was die mal früher waren!

Na ja…, das ham wer uns doch gleich jedacht:
Die Ampel rot – der Lump latscht einfach weiter.
Wenn jetz ‘n Auto kommt, dann hats jekracht,
dann liegter da, na das wär wirklich heiter!

So sind se alle jetz bei uns ins Lande:
Die randaliern und hörn sich blöde Schlarer.
Was sollste machen mit die ganze Bande?
Warum steckt man die nicht im Arbeitslarer?

Dies Trottelvolk! Die hames nie kapiert:
Mit unsern Adolf wär das nich passiert.

(abgenutzte Redensart, Jargon, Plattitüde, → auch Entwürdigende Bezeichnungen in “Abwertend”; Weltansicht des Spießbürgers, wie er z.B. von Helmut Qualtinger als Der Herr Karl dargestellt ist; Enallage: falscher Fall, → Falsche Grammatik in “Abwertend”; Englisches Sonett: abab cdcd efef gg, → auch Englisches Sonett in “Pompös” [das Englische Sonett ist nur die Form hier und hat eigentlich nichts mit Klischees zu tun]; vergleiche → Italienisches Sonett und Alexandriner-Sonett)

Gemeinplaetze

Helmut Qualtinger als Der Herr Karl, 1961

Sprachkunst, Rhetorik, Figuren: 300 Veränderungen über einen Satz — mit Kommentaren und Illustrationen — „Grüne Figur bei Rot": Kleines Rhetorikum ©2009 Rolf-Peter Wille