Category Archives: Lyrisch

Ironie

Ironie (+ Polysyndeton + Alliteration)

Grün bin ich wie die Mode
so hehr und hold und Hemd;
ich schau mich an und sehe
mein Haar so ungekämmt.

Stumm steh ich an der Ampel
so rot und so gehemmt.
Ich schaue nicht hin und ich gehe
so froh und frei und fremd.

(poetische Reflektion à la Heine, von den vielen Heinisten etwas abgetragen; Goethe über Ironie: “Ironie ist das Körnchen Salz, das das Aufgetischte überhaupt erst genießbar macht.”; ↪ auch Ironie in “Dramatisch” und Ironie in “Humor”; Polysyndeton: und…, und…, → Polysyndeton in “Episch”; Alliteration → Alliteration in “Reim”)

(Rolf-Peter Wille)

Schmückendes Beiwerk

Epitheton (+ Pleonasmus + Antitheton + Ironie)

Trägst ja so grasgrüne Kleider,
dunkelgrün wie der Smaragd.
Liebster, im Leben, ach leider,
bist du ein wenig betagt.

Siehst ja so blutrote Lichter,
feuerrot wie der Rubin.
Leider, ach Liebster, als Dichter,
fehlt dir poetischer Sinn.

Fliegst ja hinüber soeben,
schwalbenschnell, hurtig, behend’.
Liebster, ach leider, das Leben
ist nur ein kurzer Moment.

(Epitheton [epithet]: schmückendes Beiwerk; → auch Adjektive und Attribute in “Wort” und Beschreibende Angabe in “Geistlos”; wirkt schön kitschig; → auch Epitheton in “Pompös”; Pleonasmus: überflüssige Wörter → Redundanz in Geistlos; Antitheton: Gegensatz; Ironie: → Ironie in “Lyrisch” und Ironie in “Dramatisch”)

(Kaiserin Theodora), Ravenna, 547

Wunder + Freude

Thaumasmus + Paeanismus

Wie lustig lockt der Sommer mich
mit seinem Regenbogen,
wie meine Augen wonniglich
die Farben eingesogen!

Wie angenehm, im grünen Kleid
durch die Natur zu wandeln
und, trifft man eine hübsche Maid,
zu scherzen und zu tandeln!

Wie wunderbar die Ampel strahlt,
so rot und so markant!
Welch Meister hat dies Bild gemalt
mit schöpferischer Hand?

So tanz ich durch die Sommerflur,
tanz durch ihr helles Bunt.
Wie lieb ich dich, du Frohnatur!
Ich küsse deinen Mund!

(Thaumasmus: Wunder, [Thaumatologie: Lehre von den Wundern]; Paeanismus: Ausdruck der Freude, [Paian, Päan, oder Paion: feierlicher Dankgesang]; hier wirkt es recht beschwingt und die “normale” Einförmigkeit der Sprache ist durch Ausrufe und Fragen aufgelockert; kann aber rasch kitschig wirken ↪ auch Exklamation und Antypophora in “Dramatisch”)

Pablo Picasso: Tanz

Sympathie + Antipathie

Exuscitatio + Indignatio

So locker liegt es auf der Haut, so leicht,
so lieblich schimmert seine grüne Seide,
wie ein Parfum, wie ein Gedicht, ein Duft,
so schmiegt es sich an mich, mein Frühlingskleid.

Oh, diese Bolchenfarben! Ach, wie seicht!
Und die Motoren, ihre Eingeweide,
rumoren und ihr Gas verschmutzt die Luft!
Ich flieh die Autoschlang mit Hastigkeit.

(Sympathie erweckend; Antipathie erweckend)

(Franz Xaver Messerschmidt)

Bildsprung

Epitrochasmus (+ Asyndeton)

Verwüstet hat der Sturm das Land.
Es fiel die Stadt. Die Erde bebte.
Wo ist die Jugend nun? Sie schwand,
bevor ich sie bewusst erlebte.

Das grause Alter frisst die Freud.
Ein Mümmelgreis entschlüpft dem Kinde.
Wo sind die Freunde? Ach, zerstreut
in alle Welt, verweht vom Winde.

Wo ist mein frisches, grünes Hemd?
Verwelkt ist’s schon, ist tot, ist schlicht.
Entglitten ist mein Wesen, fremd.
In’s Grau verdämmert rotes Licht.

(rasche Modulation, von Bild zu Bild springend; → Gryphius: “Die Türme stehn in Glut, die Kirch’ ist umgekehret. / Das Rathaus liegt im Graus, die Starken sind zerhaun, / Die Jungfern sind geschänd’t, [Tränen des Vaterlandes, 1636]; → auch Kurzer Hauptsatz in “Satz” und Hypozeuxis in “Spannung”; Asyndeton: ohne Konjunktion → Asyndeton in “Spannung”, Gegenteil ↪ Polysyndeton in “Episch”)

Arnold Böcklin: Krieg, 1896

Metapher + Simile

Metapher + Simile (+ Hypocatastasis)

Gespuckt in eine Menschenlake
saugt mich die Straße gierig ein,
verschlingt sie wie ein Riesenkrake
mich und mein grünes Mäntelein.

Rot schimmert mir im Dunste Licht
verrauchter Sonnen, fauler Sterne,
auch manch ein totes Fischgesicht.
Ans andre Ufer schwämm ich gerne.

(durch die Blume reden; Metapher [übertragene Bedeutung]: “Du bist eine Blume”; verwandt sind ↪ Metonymie in “Lyrisch” und Metalepsis in “Humor”; eine erweiterte Metapher ist die ↪ Allegorie; Simile [Vergleich, Similitudo]: “Du bist wie eine Blume”; ↪ auch Simile in “Alltag” und Icon in “Dramatisch” und Icon in “Spannung”; Hypocatastasis [nennt nicht das “Target”, oder Ziel, der übertragenen Bedeutung]: “Schau, die Blume blüht” [aber ich meine “das Mädchen ist hübsch”]; Übertreibung – wie hier – wirkt zunächst originell, expressionistisch, dann aber rasch ermüdend, wenn die Bilder auseinandertreiben anstatt sich zu verdichten; immerhin bin ich hier mehr oder weniger beim “Fischigen” geblieben; vergleiche ↪ Bildbruch in “Lyrisch” und Bildvermischung in “Spannung”)

Bildbruch + Personifikation

Katachrese + Pro­s­o­po­pö­ie

Als mich ein grünes Hemd besticht,
da, plötzlich, schlägt mir ins Gesicht
von einer Ampel rotes Licht.
Ich schieß zurück und warte nicht.

Grün brennt das Hemd mir auf der Brust.
Da, plözlich, küsst in wilder Lust
ein roter, roter Ampelmund
mein Äugelein. “Welch süßes Glück!”,
denk ich und küss zurück.


Entzündet schwillt mein grünes Hemd mir wie die Gicht,
da trinkt mein Aug aus einer Ampel rotes Licht,
und ich, der Haifisch, beiße mich durch das Gedicht.

(Bildbruch, wenn sich der Leser er- und das Bild zerbricht, ↪ auch Bildvermischung in “Spannung”; auch “Kitschbild” und pathetische Stilblüte: das “von den Strahlen deutschen Märtyrertums vergoldete Innstädtchen [Braunau]” – Adolf Hitler Mein Kampf [der “strahlende Märtyrer”, “aus Blut mach Gold” sowie das pompöse “Märtyrertum” im verniedlichten “Innstädtchen” haben sich hier religiösen Kitschbildern entblutet]; Pro­s­o­po­pö­ie [Prosopopoeia]: Personifikation; vergleiche Metapher + Simile in “Lyrisch”; ↪ auch Fabel in “Episch”)

Schmerzensmutter

(eine “verkitschte” Schmerzensmutter)

Gegenfall

Antiptosis

Natürlich ging ich, wie ich bin,
im Grün des Kleids so vor mich hin;
nur manchmal musst’ ich mich bemühn,
das grelle Licht des Rots zu fliehn.

(aus Botticellis Primavera, 1482)

(Antiptosis [Antiptose]: “Gegenfall”, grammatische Verschiebung, hier Ersetzung durch Genitiv, “das Wunderbare der Figur” [statt “die wunderbare Figur”]; vergleiche ↪ Hendiadyoin in “Lyrisch” und Enallage in “Abwertend”)

Zwillingsformel

Hendiadyoin

Ich ging im Mai, im wunderschönen,
mit meinem Anzug und dem Grünen.
Davon lief ich der Ampel und dem Roten.
Noch warten dort die Seelen und die Toten.


Er ging in Grün und Gift
durch eine Metropol,
war sehr gelehrt und Schrift,
trank auch viel Alkohol.

Bei Licht ging er und Rot
nur auf’s Geratewohl.
Nun kämpft er und liegt tot.
Dass ihn der Teufel hol!

Oskar Kokoschka:
Baron Viktor von Dirsztay, 1911

(Hendiadyoin [Hendiadys]: zwei [Wörter] für eins, “die Figur und das Wunderbare” [statt “die wunderbare Figur”]; oft eine feststehende Formel mit Reim, Alliteration oder Assonanz [“Schimpf und Schande”, “Sack und Pack”]; → auch Tautologie in “Geistlos”; vergleiche → Antiptosis in “Lyrisch”; eine feststehende Formel kann leicht in eine Antiptosis verwandelt werden: “ich verlor mit dem Schimpf meiner Schande” [statt “mit Schimpf und Schande”]; das Resultat ist ironisch; auch eine Umkehrung wirkt ironisch: “Er ist begraben und tot” [statt “tot und begraben”])