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Bildhaftes Haupt- + Zeitwort

Der Wind warf uns allerlei Dreck vor die Pfoten und in unsere Nasen blies er das Gas der Garküchen, als Zottel mich an seiner Leine durch die Gasse zerrte. Verschnaufspausen schenkte mir das Vieh nur, wenn es die Bananenschale beschnupperte, oder das Hydranten-Männchen anpinkelte. Bei Rot zog Zottel mich gar über den Boulevard. Dass uns ein Omnisbus nicht überdonnerte, grenzt ans Wunderbare. Es fluchte der Fahrer, hupte wie ein Besessener, aber das Grellgrün meines Pullis hatte ihn gewarnt.

(Eigenschaftswörter habe ich vermieden, trotzdem malen die Hauptwörter ein recht anschauliches Bild besonders auch durch eigenwillige Zeitwörter, die sie eigenartig beleuchten; ich ging mit meinem Hund auf der Straße: hier gäbe es keine Spannung zwischen Verb und Substantiv.)

(Bauschan)

Bildhaftes Kompositum

Ein Mordsverkehr herrschte auf der Prachtstraße als ich in der Menge einen Teufelskerl in grünem Glanzhemde erspähte. Der hatte es in sich! Er protzte mit seinen Muskelpaketen. Beim Rotlicht gar schien die Tollwut in ihm überzubrodeln. Ohne zu zögern erwürgte der Riesenkerl die Autoschlange, um dann in Windeseile davonzupreschen.

(Diese eigentlich so alten Komposita wirken trotzdem frisch; Kompositum: Wortzusammensetzung, hier zusammengesetzte Hauptwörter (Substantive); “erwürgte der Riesenkerl die Autoschlange” ↪ Bildbruch in “Lyrisch”)

Herkules

Antonio del Pollaiolo: Herkules und die Hydra, ~1475

Weniger bildhaftes Hauptwort

Meine Laune hatte sich erkältet und begann zu niesen. Scham benagte meinen Stolz des grünen Hemdes wegen. Als jedoch die Ampel sich weigerte, auf Grün umzuspringen, braute es in mir; etwas wie Ärger braute sich zusammen und im Trotz, endlich, schritt ich hinüber.

(auch dies wirkt, mit Metaphern, noch durchaus lebendig)

(Wilhelm Busch)

Bildloses Hauptwort + Kompositum

Die Instandhaltung von Kleidungsstücken und die Pflege ihrer Reinlichkeit erfordern besonders bei grüner Oberbekleidung die Aufmerksamkeit und Geduld ihrer Besitzer.

Beim Überschreiten von Kreuzungen ist das Gehverbot zu beachten. Eine Verletzung desselben kann nicht nur eine Verkehrsbehinderung darstellen, sondern auch die eigene Sicherheit sowie die Sicherheit anderer Verkehrsteilnehmer behindern.

(ein Bild oder Charakter ist hier peinlichst vermieden; auch die Zeitwörter sind schwach und die eigentliche Aussage versteckt sich; → auch Reportstil [Aschematiston] in “Normal”)


Eutrepismus

1. Gemäß § 119 Abs. 2 Nr. 1b des Bürgerlichen Gesetzbuches können antisoziales Verhalten sowie untersagte Handlungen, die geeignet sind, die Allgemeinheit zu belästigen und die öffentliche Ordnung zu beeinträchtigen, wie beispielsweise das Schlafen auf dem Bürgersteig, öffentliches Musizieren oder das Tragen grüner Hemden, mit Geldbußen geahndet werden sowie die Ausgrenzung, bzw. die Verweisung des Individuums, bzw. der Individuen, als öffentliches Ärgernis, bzw. öffenliche Ärgernisse, des Ortes, bzw. der Orte, nach sich ziehen.

2. Gemäß § 137 Abs. 7 Nr. 3a der Allgemeinen Straßenverkehrs- Ordnung (Abk.: Al StraVo) ist das Beschreiten des geschützten Bereiches einer Wechsellichtzeichenverkehrsanlage (Abk.: WecLictz VeKal) während der Rotzeitperiode einer Wechsellichtzeichenverkehrsanlage nichtmotorisierten Verkehrsteilnehmern (Abk.: nimo VesTe) untersagt. Eine fahrlässige Zuwiderhandlung nichtmotorisierter Verkehrsteilnehmer (Abk.: nimo VesTe) im geschützten Bereiche einer Wechsellichtzeichenverkehrsanlage (Abk.: WecLictz VeKal) kann gemäß § 137 Abs. 7 Nr. 3b der Allgemeinen Straßenverkehrs-Ordung (Abk.: Al StraVo) als Ordnungswidrigkeit Nr. 1077 [nichtmotorisierter Rotlichtverstoß (Abk.: nimo RolV)] mit einer Haftstrafe von bis zu 17 Jahren sowie einer Geldbuße von nicht unter 2 € geahndet werden.

(Bürokratensprache oder “Amtsdeutsch” – ist das eine Sprache? eigentlich nicht! zusammengekleisterte Monsterwörter; Verben schwach und nur im Passiv; idiotischer Genauigkeitswahn; Eutrepismus: 1., 2., 3.; idiotische Abkürzungen; → auch Kausale Präposition)

(RPW, d’après Magritte)


Periphrase

Einspruch, Euer Ehren: Mein Klient hat keineswegs in der Absicht gehandelt, andere Verkehrsteilnehmer zu behindern, sondern einzig und allein in der – zugegebenermaßen subjektivistisch gefärbten – Annahme, dass ihn der Besitz eines Kleidungsstückes in einer dem Gehverbot entgegengesetzten Farbe zu einer Überschreitung während der Dauer desselben berechtige.

(Periphrase, Umschreibung; Verkleinerung; einlenkend; das Ziel dieser Sprache ist zu wirken, ohne verstanden zu werden)


Kompositum + Pleonasmus + Tautologie

Es konnte in Verhaltensstudien, die anhand empirischer Prototypen spezifisch sozialparadigmatischer Verhaltensmuster unter neurowissenschaftlicher Perspektive durchgeführt wurden, nachgewiesen werden, dass durch bestimmte Sexual- und Entwicklungsstrukturen einer mißglückten Identitätslösung bedingte Kommunikationsprobleme auf beziehungsgestörter Individualebene, die bei analoger entwicklungspsychologischer Prädispositionierung durch den Konsumzwang einer bedingungslosen Modernisierungsstrategie noch intensiviert werden, zu einer gesteigerten, quasi pathologischen, Bedürfnisorientierung im Konsumbereich Bekleidung führen können und sich in Regelfällen in einem Interessenbekenntnis für modebewußt farbintensive, wie z.B. grüne, Hemden äußern. Weitere auffällige Verhaltenskennzeichen an der Peripherie antisozialer Persönlichkeitsstörungen im Tendenzrahmen der jeweiligen Fragmentierungs- sowie Disintegrationsprozesse derartiger Identitätskrisen lassen sich ebenfalls bei Fehlverhalten im sozialen Umfeld, besonders einem Neigungswillen zur Tabuüberschreitung, wie z.B. der mutwilligen Gehverbotsverletzung, beobachten.

(dies sind die “Plastikwörter”; leicht kann man sie schütteln, kleben und dann in irgendeine grammatische Wurst stopfen; Aussage, Sinn, Ausdruck, Gestalt gibt’s hier nicht; wenn mal ein richtiges Wort wie “grün” oder “Hemden” erklingt, wirkt das schon wie eine Ohrfeige; die “Wursthülle” ist am besten so dünn wie möglich: es konnte nachgewiesen werden und lässt sich beobachten; in den wabernden Nebensätzen versinkt man dann im Moor dieses “Nachgewiesenen” oder “Beobachteten”; die schwindsüchtigen Verben reizen niemals die aufgedunsenen Hauptwörter sondern bedienen sie wie unauffällige Lakaien, meist als Infinitiv mit Hilfswort; Pleonasmus und Tautologie, überflüssige Wörter: prototypische Muster, Fragmentierungs- sowie Disintegrations- verschleiern Gemeinplätze; → Redundanz in “Geistlos”; der erste Satz sagt lediglich: es ist eitel, grüne Hemden zu tragen, der zweite: es ist kindisch, bei Rot über die Straße zu laufen; → auch Zusammengesetzte Wörter in “Geistlos”; es gibt auch 33 Fremdwörter, zusammengesetzte Fremdwörter und Zusammensetzungen von Fremdwörtern mit Nicht-Fremdwörtern [ich traue mich hier nicht mehr, “mit deutschen Wörtern” zu schreiben] in meinem Beispiel; → auch Fremdwörtersucht in “Geistlos”)

(René Magritte)

Konjunktiv I

Es sei mir erlaubt zu fragen: Besitzt du nur dies eine Hemd, Hugo? Deine Mutter meint, du seiest ein Geizhals. Du kaufest dir nie was Gescheites, sagt sie. Von Inge höre ich, sie habe dich am Dienstag vor Hertie in genau diesem grünen Hemd gesehen. Du seiest dort, ohne nach links und rechts zu schauen, bei Rot über die Straße gestolpert. Sie habe sich richtig verjagt, als sie dich erkannte.

(elastischer als der Indikativ; kann schwebend aber auch geschraubt wirken)

(Wilhelm Busch)

Konjunktiv II

Wie gern, liebe Adelheid, lüd ich dich zu mir nach Lindau. Gemeinsam, Arm in Arm, wanderten wir wieder am Ufer des Bodensees, wir trügen, wie damals, unsere grünen Lederhosen und auf der Fischergasse – du wärst dort bei Rot fast unter die Räder gekommen (mein Gott: 83 Jahre sind’s her!) – äßen wir wieder unsere Felchen auf Müllerin Art in dem kleinen Fischrestaurant an der Ecke (der Ober ist noch derselbe).

(der Konjunktiv klingt hier nostalgisch, verführerisch, natürlich auch alterthümlich)

Futur

Und du wirst in einem grünen Gewande schreiten. Es wird aber dort eine Ampel stehen und die wird rot sein. Du jedoch wirst hinübergehen. Da wird sich dir nahen ein klappernder Finsterbus und du wirst durch die Zähne heulen.

(magisch prophetisch, besonders mit Polysyndeton: und… und… [“Gleich wie man nu das Vnkraut ausgettet vnd mit fewr verbrennet / So wirds auch am ende dieser Welt gehen. Des menschen Son wird seine Engel senden / Vnd sie werden samlen aus seinem Reich alle Ergernisse / vnd die da vnrecht thun / Vnd werden sie in den Fewr ofen werffen / Da wird sein heulen vnd zeenklappen.” – Matthäus 13]; ↪ auch Warnen und üble Vorhersage in “Geistlos”)

Michelangelo: Detail aus dem Jüngsten Gericht

Infinitiv

Endlich kann ich mich dazu aufraffen, dir zu schreiben, liebe Amalie. Schwer fällt’s mir noch, normal zu laufen nach meinem Unfall. Jeden Tag zweimal an die frische Luft zu gehen, das habe ich mir aber nun fest vorgenommen. Wenn bloß die Ampeln nicht wären! 20 Sekunden hat man, um auf die andere Seite zu rasen. Heute schafft’ ich’s nicht einmal, bis in die Mitte der Kreuzung zu kommen. Morgen werd’ ich mir was Spezielles – zum Glück hab’ ich so eine leuchtend grüne Warnweste – anziehen, um den Autofahrern aufzufallen.

(ziemlich langweilig, originelle Satzgefüge sabotiert der lahme Infinitiv)

(Rolf-Peter Wille)

Fehlendes Objekt

Ein grünes Hemd, find ich, besticht. Zwei Jahr schon geh ich so und stets gefällt es. Rot hingegen missfällt. Das Ampelrot stört besonders. Kommt kein Auto, mein ich, soll man ruhig überqueren.

(hier bestechen die Verben nicht; sie wurden nicht bestochen und sind nun zu fein und faul, um sich mit Objekten zu beladen; man könnte sie durch Partizipien ersetzen, wie z.B. “das bestechende Hemd ist gefällig”; wie viel kräftiger ist “mich besticht ein grünes Hemd und den Leuten gefällt’s”)

Keine Bestechung!!!