Category Archives: Humor

Ironie

Rote Figur bei Grün:

Und meine roten Hosen zog ich aus,
als ich dort stand, bei Grün, an einem Haus.

Rote Figur bei Gruen

(im Gegenteil; in’s Lächerliche zielende scheinbare Behauptung gegenteiliger Punkte; → auch Ironie in “Lyrisch”; hier ist eine bunte Sammlung von Ironischem: Großmeister ist gewiss Jonathan Swift: “Ein sehr kenntnißreicher Amerikaner meiner Bekanntschaft, in London ansäßig, hat mir die Versicherung gegeben, daß ein junges, gesundes, wohlgenährtes Kind vom Alter eines Jahres ein höchst schmackhaftes Nahrungsmittel und eine gesunde Speise bietet, ob geschmort, gebraten, gebacken oder gekocht; und ich zweifle gar nicht, daß es ebenfalls als Fricassée oder Ragout sich wird anwenden lassen.” [A Modest Proposal – “Ein bescheidener Vorschlag im Sinne von Nationalökonomen, wie Kinder armer Leute zum Wohle des Staates am Besten benutzt werden können.”, 1729]; oder wie wär’s mit diesem Ausschnitt aus Hieronymus Boschs Garten der Lüste, ~1500, als Poster für ein Konzert mit sakraler Chormusik?

Bosch's butt music

wem dies zu frivol erscheint schlage ich vor, lieber die Bibel zu lesen wie diese Ente im Paradies desselben Triptychons:

Bosch Ente

Vorsicht jedoch vor einem falschen Nonnengeflüster in der Hölle:

Bosch Nonne

[diese Nonne scheint Linkshänderin zu sein]

Ironiker des 19. und des 20. Jahrhunderts wirken recht zahm im Vergleich:

Heine Fichtenbaum

Heinrich Heine: Ein Fichtenbaum steht einsam, 1822


Ironische Landschaft

Klabund: Ironische Landschaft I, 1913


und leider ist es mir nicht möglich, nicht das Ende der grotesken Geschichte von Edgar Allan Poe, Never Bet the Devil Your Head [“Wette nie mit dem Teufel um deinen Kopf”, 1841], zu zitieren: “Herr Verdammich [‘Tobias Dammit’, der nach einer Wette mit dem Teufel seinen Kopf verlor] lag sonderlich still und ich folgerte , dass seine Gefühle verletzt seien. […]. Ich eilte zu ihm und fand, dass ihm etwas zugestoßen war, das man wohl einen ernsten Schaden nennen möchte. Die Wahrheit ist, das er seines Kopfes beraubt war, den ich nach gründlicher Suche nirgends finden konnte; so entschied ich, ihn nach Hause zu nehmen und die Homöopathen zu rufen. […] Seinen schrecklichen Verlust überlebte er nicht lange. Zu wenig Arznei gaben ihm die Homöopathen, und das Wenige, das sie ihm gaben, zögerte er zu nehmen. So ging es ihm endlich schlechter und schließlich starb er. […] Ich benetzte sein Grab mit dem Tau meiner Tränen […] und über die Begräbniskosten schickte ich meine höchst bescheidene Rechnung an die Transzendentalisten. Die Schurken weigerten sich zu zahlen und so ließ ich Herrn Verdammich sofort wieder ausgraben und verkaufte ihn als Hundefutter.”; → auch Sarkasmus in “Humor”)

Kopflos

(Rolf-Peter Wille)

Sarkasmus

Am Sonntag promeniere ich
in edler grüner Wäsche
und quake durch die Menge mich,
der König aller Frösche.

Doch da wird’s rot. Was soll ich tun?
Ich hüpf mal rüber eben.
Ein Auto – paff! Hier lieg ich nun:
Freu mich aufs nächste Leben.

Sarkasmen

der Anfang von Sergei Prokofjews Sarkasmen op. 17

Wolf

(Rolf-Peter Wille)

(bitterer Spott; erste Strophe nur ironisch, die zweite bereits sarkastisch, ↪ auch Mocken und Sarkasmus in “Dramatisch”; der Meister des Sarkasmus ist Shakespeare, besonders im Hamlet: “HAMLET. Ich bitte, spotte meiner nicht, mein Schulfreund; / Du kamst gewiß zu meiner Mutter Hochzeit. / HORATIO. Fürwahr, mein Prinz, sie folgte schnell darauf. / HAMLET. Wirtschaft, Horatio! Wirtschaft! Das Gebackne / Vom Leichenschmaus gab kalte Hochzeitschüsseln.”; nachdem Hamlet den Polonius erstochen hat: “KÖNIG. Nun, Hamlet, wo ist Polonius? / HAMLET. Beim Nachtmahl. / KÖNIG. Beim Nachtmahl? / HAMLET. Nicht wo er speist, sondern wo er gespeist wird. Eine gewisse Reichsversammlung von politischen Würmern hat sich eben an ihn gemacht. So ‘n Wurm ist Euch der einzige Kaiser, was die Tafel betrifft. Wir mästen alle andere Kreaturen, um uns zu mästen; und uns selbst mästen wir für Maden. Der fette König und der magre Bettler sind nur verschiedne Gerichte; zwei Schüsseln, aber für eine Tafel: das ist das Ende vom Liede. / KÖNIG. Ach Gott! ach Gott! […] Wo ist Polonius? / HAMLET. Im Himmel. Schickt hin, um zuzusehn: Wenn Euer Bote ihn da nicht findet, so sucht ihn selbst an dem andern Orte! Aber wahrhaftig, wo Ihr ihn nicht binnen dieses Monats findet, so werdet Ihr ihn wittern, wann Ihr die Treppe zur Galerie hinaufgeht!”)

Polonius

Eugène Delacroix: Hamlet vor der Leiche des Polonius, 1855

[“Der Mann packt mir ‘ne Last auf; / Ich will den Wanst ins nächste Zimmer schleppen. – / Nun, Mutter, gute Nacht! – Der Ratsherr da / Ist jetzt sehr still, geheim und ernst fürwahr, / Der sonst ein schelmischer, alter Schwätzer war. / Kommt, Herr, ich muß mit Euch ein Ende machen. – / Gute Nacht, Mutter!”]

Limerick

(Alienicks)

Ein grünlicher Alien vom Mars,
der liebte die irdischen Bars.
    Er ging, blau und heiter,
    bei Rotlicht noch weiter.
Dann wurde es schwarz und – das wars!


Ein grüner E.T. vom Merkur,
der trällerte rund um die Uhr,
    sang lustige Lieder.
    Bei Rotlicht – recht bieder –
da sang er in Moll, nicht in Dur.


Ein grünlicher Alien vom Mond,
der jetzt auf dem Jupiter wohnt,
    durchflog einen fiesen
    und rötlichen Riesen.
Der hat ihn bestraft, nicht belohnt.


Ein grüner E.T. von der Venus,
vermutlich von weiblichem Genus,
    beschaut sein Gesicht
    bei rötlichem Licht
und flüstert: “Det is ma wat Scheenus!”


Ein grünlicher Alien vom Pluto,
der hört nicht das Auto-Getuto.
    So kriecht er bei Rot
    in den Alientod
und schwimmet in grünlichem Bluto.


Ein grüner E.T. vom Neptun
verlor sich im roten Monsun.
    Fast wär er erlegen
    dem giftigen Regen –
zum Glück sind Neptunier immun.


Ein grüner E.T. vom Saturn,
bestaunte die Ampel – purpurn!
    Er fiel im Gerenne
    auf seine Antenne.
Nun sieht er den Himmel – azurn.


Ein grünlicher Alien vom Rigel,
das schrieb letzte Woche der Spiegel,
    der flog mit dem Boot
    trotz Weltraumverbot.
Er sitzt hinter Schloss jetzt und Riegel.


Ein grüner E.T. von der Vega
fand Arbeit als Schornsteinfega.
    Doch fiel er samt Hut
    in die rötliche Glut.
Und es tanzte der Totenträga!


Ein grüner E.T. von der Erde,
der ging stets beritten zu Pferde.
    Er wartet devot
    beim Ampelrot,
auf dass es noch röter werde.


Ein grüner E.T. von der Sonne,
der sah eine Autokolonne.
    Er rannte recht frech.
    Doch hatte er Pech.
Man warf seine Leich’ in die Tonne.


Ein Alien vom Aldebaran,
der klaute bei Aldi im Wahn
    ein grünes Gewand.
    Dann ist er gerannt
bei Rotlicht, der alte Galan.


Ein grünlicher Alien vom Sirius,
der dichtete gerne was Schwierius.
    Er schrieb in der Pinte
    mit rötlicher Tinte,
doch wurde es nur etwas Schmierius.

(aabba im “Dreivierteltakt”; weitere Limericks → Amphibrachys in “Vers” und Wortspiel in “Humor”)

Alien 2

Klapphornvers

(Schabenfreude)

Zwei Knaben gingen in grünem Gewand.
Der eine Knab eine Schabe fand.
Da trat der andere Knabe
brutal auf diese Schabe.

Zwei Ampeln standen nach altem Brauch.
Die eine war rot und die andere auch.
Da wollten die beiden Knaben
ganz frech hinübertraben.

Zwei Knaben liefen im Affenzahn.
Der eine fiel fast vor die Straßenbahn.
Jedoch der andere Knabe
ward platt wie eine Schabe.

Zwei Schaben krabbelten durch den Schutt.
Die eine war platt und die andre kaputt.
Da sagte die andere Schabe:
“Da vorn liegt ein leckerer Knabe.”

Zwei Schaben saßen bei Ampelrot
und labten sich beide am Abendbrot.
Es sind die grüneren Knaben
für Schaben die köstlichsten Gaben.

Zwei Schaben fraßen den Knaben weg.
Da wurde der Knabe zu Schabendreck.
Man sieht auf dem Asphalt noch immer
im Licht einen grünlichen Schimmer.

So spielt das Leben mit Grün und Rot
verknüpfet ewig das Glück und die Not.
Dem Knabenkummer und -leide
entkrabbelt die Schabenfreude.

(aabb; bb meist unerwartete Folgerung)

Rolf-Peter Wille: Homo Taipeiensis Cannibalis

Aufzählung + Unterteilung

Enumeratio + Divisio

Was heißt das schon, “mein Hemd war grün?
War’s Jade-, Persisch-, Tschitscherin-,
Klee-, Gras-, Frosch-, Efeu-? War es Knatsch-?
Sagst du nur “grün”, dann ist das Quatsch!

Ein “rotes” Licht sagt mir nur wenig.
Gingst du im Purpur wie der König?
War’s Herz-, Blut-, Rosen-, oder Nelken-?
Sprichst du von Ampeln, die verwelken?

(Aufzählung; Unterteilung; “humorvoll” sind in meinem Beispiel eigentlich nur das “Tschitscheringrün” [“Schitscherien-Jrien”] und das “Knatschgrün”; ↪ auch Unterteilung in “Pompös”, Unterteilung und Auswahl in “Alltag” und Aufzählung in “Geistlos”; vergleiche auch ↪ Accumulatio in “Spannung”)

Farben

Allerlei bezieht sich auf’s Satzende

Hypozeugma (+ Oxymoron)

Grad kaufte ich und trag ein grünes Hemd.
Die Glatze glänzt frisiert und wohl gekämmt.
Stets liebe ich und überseh das Rot,
obwohl mir bald die Strafe winkt und droht.

Vater und Sohn

E. O. Plauen: Vater und Sohn, 1935

(Hypozeugma: der Satzteil, auf den sich verschiedene vordere Satzteile beziehen, steht am Ende [“Grad kaufte ich ein grünes Hemd.” und “Ich trag ein grünes Hemd.” sind zusammengefasst zu “Grad kaufte ich und trag ein grünes Hemd.”]; vergleiche ↪ Diazeugma in “Spannung” und Prozeugma in “Geistreich”; Oxymoron: “scharf-dumm” [die “gekämmte Glatze”], ↪ Oxymoron in “Humor”)

Hypozeugma

Wort in neuem Kontext

Metalepsis

In frischer Tracht und grünem Mut
marschiert’ ich auf dem muntren Pfad
und nur ein frecher Federhut,
war auf dem Kopf mein Kamerad.

Da ragt’ vor meinem forschen Blick
der finstre Ampelmast empor.
Ein kalter Schein wies mich zurück,
rot war sein Licht, schwarz mein Humor,
bis mir zuletzt in meiner Hand
die heißen Beine durchgebrannt.

(aus dem Struwwelpeter)


(Metalepsis [Metalepse]: weit hergeholte Metapher oder Metonymie [Umbenennung]; eine “Metonymie Kette”: mein Federhut war stets auf meinem Kopf = er war immer bei mir = er war mein Begleiter = mein Kamerad = er war “auf dem Kopf mein Kamerad”; ein anderes Beispiel: ein Mann trank viel Alkohol = er trank = er soff; der Mann musste viel Geld ausgeben für sein Saufen = er versoff sein Geld; um zu mehr Geld zu kommen, verkaufte er sein Haus = er versoff sein Haus; ↪ auch Umbenennung in “Lyrisch und unter Bildvermischung in “Spannung”)

Taipei

(Der Bürgermeister versoff die ganze Stadt?)

Knappe Schlussfolgerung

Epiphonema

Mein grünes Hemd war ranzig.
Heut riss ich es entzwei.
Der Schaden: Euro 20.
Den Spott, den hatt ich frei.

Ich wartete fünf Stunden
bei einem roten Licht;
das grüne blieb verschwunden:
Trau keiner Ampel nicht!

Zerrissenes Hemd

(epigrammatischer Schluss; kernige Zusammenfasung; ↪ auch Lakonisch und Ironisch in “Dramatisch” und Ritornell in “Humor”; oft auch lustig: “Und die Moral von der Geschicht…”)

Moral von der Geschicht

(Wilhelm Busch)

Einwurf

Interjektion

In einem grünen Kleid –
    gescheit!
in ziemlich schnellem Lauf –
    pass auf!
bei einem roten Licht –
    tu’s nicht!
fiel ich auf meine Schnauz –
    pardauz!

(Einwurf!; hier Ausrufe; ↪ auch Ausruf in “Dramatisch” und Gottesanrufung + Ausruf in “Pompös”; vergleiche ↪ Lautmalerei in “Geistlos”; vergleiche ↪ Füllwörter in “Geistlos”)

Hans Guck

(aus dem Struwwelpeter)