Ein Idiot,
grünes Trikot,
verletzt bei Rot
das Gehverbot.
(hier zwei jambische Versfüße; stets gleichlange Kola, oder Sprecheinheiten, von je vier Silben und lakonische Grammatik wirken hier wie “Schlagzeilensprache”)
(René Magritte, 1937)
Ein Idiot,
grünes Trikot,
verletzt bei Rot
das Gehverbot.
(hier zwei jambische Versfüße; stets gleichlange Kola, oder Sprecheinheiten, von je vier Silben und lakonische Grammatik wirken hier wie “Schlagzeilensprache”)
(René Magritte, 1937)
Gestern geh ich still,
und in grünem Samt,
vom Germanengrill zum
Gemeindeamt.Sitzt ein roter Spatz
Auf dem Ampelmast
dort am Humboldtplatz.
Der hat aufgepasst.Doch ich geh, nicht dumm,
und in grüner Kluft.
Schaut der Spatz so stumm
in die rote Luft.
(durch Trochäus und männlichen Reim sehr steif und statisch; auch hier sind die Kola durchweg gleich, fünf Silben; nur bei “nicht dumm” gibt’s eine kleine Bewegung)
Ich tanz mich mit drei Füßen
durch’s eigene Gedicht.
Dem grünen Hemd, dem süßen,
lach ich ins Angesicht,
und tschüss mit lieben Grüßen
sag ich dem roten Licht.
Soll ich nun lange büßen?
Ach was, ich soll es nicht!
(beim Lesen macht man nach jedem Zeilenende eine Pause – so sind’s eigentlich also vier Füße; durch Jambus und weiblich-männlichen Kreuzreim wirkt es schwungvoll)
Es schlich in seinem grünen Rock
ein arger Mann, ein Sündenbock,
geduckt, als wär er auf der Flucht,
durch eine dunkle Häuserschlucht.
Bei einer roten Ampel dann
schlich er hinüber, jener Mann.
(durch männlichen Paarreim und die vielen starken Hebungen ist das Tempo Adagio, schleichend; auch etwas spröde gestaut – doch nicht langweilig – durch ungleiche Kola)
“Pater Luzi aber schleichet…” (Wilhelm Busch)
Siehst du den Kerl da, alt, vergammelt,
wie er gebettelt hat und gestammelt,
zerlumpt. zerrissen sein grüner Rock?
Dort rennt er bei Rot, der alte Bock!
(unregelmäßig, → Habe nun, ach! Philosophie,; wirkt weniger lyrisch, eher grobkörnig und kräftig; die ungleichen Kola wirken hier belebend; vergleiche → Füllungsfreiheit in der Ballade)
(Wilhelm Busch)
Weit besser ist ein grünes Kleid
als wenn man keines hat.
Denn wenn ich so im grünen schreit’,
erwecke ich den grünen Neid
der Leute in der Stadt.Doch schlechter ist ein rotes Licht,
als wenn gar keines brennt.
Denn Liebe die gewinnt man nicht,
wenn man als grüner Bösewicht
bei Rot hinüber rennt.
(diese Strophe [abaab] hat einen starken Richtungswillen auf die Kadenz [Strophenende]; vergleiche → Schweifreim)
“Grüner Neid”: aus Edvard Munchs Eifersucht, 1907
Hinaus und auf die Straße, alter Junge,
wo sich die Autos und die Kinder balgen,
sollst du in deinem wundergrünen Hemd.
Schon atmest du, schon trinket deine Lunge
die Luft des Lenzes und die Lastkraftwagen,
da lähmt das Licht der Ampel deinen Flug,
staut den Verkehr, es staut sich deine Wut.
Urplötzlich schießest du, der Pfeil, ins Schwarze.
(Jamben, reimlos; weniger lyrisch, unruhiger und freier als lyrische Reimgedichte, schießt oft über das Zeilenende hinaus, aufbauend; mein Beispiel parodiert den Beginn von Goethes Iphigenie auf Tauris [“Heraus in eure Schatten, rege Wipfel / Des alten, heil’gen, dichtbelaubten Haines, / … / Tret ich noch jetzt mit schauderndem Gefühl, / …”] → auch Blankvers in “Episch”; Katachrese → Bildvermischung in “Spannung”; Syllepse: ein Verb regiert Verschidenartiges, → Syllepse in “Geistreich” und Syllepse in “Selt aber würdig)
Fünf Füße? Gut – da schreib ich eine Stanze.
Mein Hemd hat heut die Farbe der Limone,
auch der Limette, selbst der Pomeranze.
Gelb sind die Hosen, gelb wie die Zitrone,
wenn ich so als Kanarienvogel tanze,
und rot die Schuh’ – das kratzt mich nicht die Bohne!
Nun gut, ich geh in allen Ampelfarben.
Gewiss darf ich bei Rot hinübertraben.
(die Stanze [Ottava rima] abababcc; → auch Stanze in “Pompös”; berühmt durch Ariosto und Tasso; treibt nach vorn auf das “Fazit” des abschließenden Paarreims; [“Farben” / “traben” ist allerdings ein recht unreiner Reim]; abschließendes Reimpaar → auch Englisches Sonett)
Vincenzo Catena: Lodovico Ariosto, 1512
Hab Acht! Hier schreib ich die “Gespensterstrophe”,
obschon ein deutscher Dichter das nicht tut.
Ich trug mein grünes Hemd, das alte doofe –
ich weiß, das geht dir langsam auf den Hut.
Geneigter Leser, bitte sei so gut
und les’ auch noch das Ende der Geschichte,
bis ich zuletzt den Weg – was man nicht tut –
ganz lässig überschreit’ bei rotem Lichte.
(Es fehlt der neunte Vers, den ich hier grade dichte.)
(Edmund Spenser, ababbcbcc, letzter Vers ein Alexandriner)
Edmund Spenser
Wie lustig ist’s, im Freien zu spazieren!
Der Frühling zwitschert sich durch die Alleen;
verzückt darf ich in grünem Kleide gehen,
wo sich im Grünen Freunde amüsieren.Wie lästig, bei der Ampel zu verschmachten!
Matronen zwängen sich durch das Gedränge;
erstickt soll ich verrotten in der Enge,
wo sich Rivalen stolz bei Rot verachten.Doch wart – wer zwingt mich eigentlich zum Stehen?
Seit wann bin ich nicht Ich, mein eigner Herr?
Gehorcht ein Mann der Zeit und ihren Dieben,dann kann er warten, kann er Däumchen drehen.
Drum auf! Befrei dich stracks aus dem Gezerr!
Schreit jemand Stopp? Schreit jemand Stehngeblieben?
(Italienisches Sonett: hier abba cddc efg efg [zwei Quartette und zwei Terzette]; streng wäre abba abba cdc dcd; “dialektisch” komponiert, die zweite, “antithetische” Strophe parodiert hier die erste, die Terzette verschieben die Ebene; berühmt und oft vertont sind die [Liebes-] Sonette Petrarcas; vergleiche → Englisches Sonett in “Pompös”, Englisches Sonett in “Abwertend” und Alexandriner-Sonett in “Vers”
Andrea di Bartolo di Bargilla: Petrarca, ~1450
hier noch ein Sonett mit sehr kurzen, zweihebigen, Versen:
Drei Dipodien im jambischen Trimeter
In Grün das Kleid, in Stein die Straß’, in Stumpf der Sinn,
so schlurfe ich, so schlepp’ ich mich dahin, dahin.
Es klebt die Zunge, klebt verdorrt im trocknen Mund.Da winkt’s wie eine Palme vom Oasengrund –
wie hoch ihr Stamm, wie stumm ihr Blick, doch hehr und hell!
Belebter eile ich erquickt von hinnen schnell.
(besser ohne Reim, doch ich konnt’s nicht lassen; wenn man das Versmaß strikt einhält fängt’s an zu leiern, hier durch allerlei rhetorische Figuren [Alliteration z.B.] vermieden; vergleiche → Tetrámeter)
(Henri Rousseau)