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Vertransitivierter Intransitiv

Bewappnet mit der Gattin, vergrünt vom Hemd und gefolgt vom Hund bebog ich die Hugenottenstraße. Behupt von Autos, errötet von der Ampel, wurden wir, als wir die Kreuzung bestanden, beinahe gerädert.

(witzig; wenn’s unabsichtlich geschieht schlechter Stil)

(Wilhelm Busch)

Partizip

Hier hängt’s ja, das von mir so heißgeliebte grüne Hemd, frisch zerknittert, abgewetzt der linke Ärmel, ausgefranst am rechten, durch und durch schäbig und dennoch abgeschabt! Nun aber raus aus dem Muff und hinaus auf die autodurchwimmelte Straße, wabernd im Dunste der stinkenden Weltstadt. Schon kommen sie mir entgegen, der rotgrinsende Betelnusskauer, weithinspuckend in die Landschaft wie das sabbernde Lama, das hochaufgeschossene Girl, staksig, schwankend wie auf Stilettos eine Giraffe, das gelbe Taxi, erwartungsfroh hupend, beide auf Kundenfang. Doch ich schlurfe verklemmt in meinem bescheuerten Hemd, nicht die Passanten beachtend, über die brütende Kreuzung, luchsartig spähend, ob nicht ein knatterndes Auto sich nähert.

(frische Perspektiven erschließend besonders, wenn das Partizip noch mit einem Nebensatz bekleidet ist; etwas antik: irgendwann schlittert man daktylisch in den epithetondurchwimmelten Hexameter)

(Odysseus treibt über das “fischdurchwimmelte” Meer)

Adjektive + Attribute

Wie anders aber nun das Bild in die tiefschattige alte Eichenallee! Anmutig belebte sich das üppige Gewölbe, wenn im launischen Frühlingswind die Sonne das Spiel der Zweige und Blättchen vom weit überspannenden Baldachin aufs Pflaster projizierte. Ließ man sich dazu einladen, durch dieses reich animierte Schattenlabyrinth hindurchzuspazieren, so mochte man glauben, im Innern eines schwarz-weißen Kaleidoskops zu wandeln, und das Fachwerk der alten Häuser, das links und rechts hinter den mächtigen Eichenstämmen hervorschimmerte, vertiefte und vervielfältigte noch diesen Eindruck. Die einzigen Farbtupfer im heimlichen Dunkel stammten von den Lichtsignalen einer Ampel, und im Sommer, wenn der raunende Blättertunnel noch schwärzer, noch undurchdringlicher wucherte, strahlte das rot-weiß gestreifte Dach des italienischen Eiswagens recht verlockend hervor. Oft spielten wir Lausbuben hier und einmal sogar begegnete mir Fräulein Spitz, unsere charmante Klassenlehrerin, in einer giftgrünen Bluse und mit einem tropfenden Sahneeis in der nervösen Damenhand. Sahnig und eisig kleckerte es auf ihren Stöckelschuh, ein verhauchtes Hallo wehte mir entgegen und giftgrün wippte sie bei Rot über die Straße.

(sehr üppiges Bild, aber manchmal etwas überladen: der “launische Frühlingswind” wirkt bereits schwülstig und verlangsamt das Tempo, das ohnehin durch den “weit überspannenden Baldachin” verlangsamt wird; ein “raunender” Tunnel, der auch noch “wuchert” ist fast ein schiefes Bild; einfache Adjektive wie “nervös” wirken erfrischend; einfache Adjektive wie “sahnig” oder “eisig” wirken sehr viel origineller, wenn sie als Attribute auftreten; → auch Epitheton in “Lyrisch”)

Carl Friedrich Lessing: Die Tausendjährige Eiche, 1837

Komparativ + Superlativ

In grünstem Hemd, in noch grünerer Laune, pfiff er sich über den Bahnhofsplatz, der Halunk. Des öfteren sah ich mit bekofferten Touristen ihn fast kollidieren, derweil er, zwar im allerletzten Moment, so doch jedesmal aufs Geschickteste auswich; virtuoser noch, wie er sich bei Rot durch den dichtesten Verkehr schlängelte und…, da war der Aal entglitten bereits dem laschen Griff meiner Augen.

(angenehmst erfrischend, hier natürlich bereits übertrieben; vergleiche auch ↪ Hyperbel in “Spannung”)

(RPW)

Pronomen

Jenen, welcher ihm jüngst sein Geld abgeknöpft hatte, erkannte er an seinem grünen Parka in der Menge. Er näherte sich ihm vorsichtig; der letztere jedoch, mißtrauisch geworden, nahm Reißaus, was ihm in der Menschenmenge allerdings schwerfallen sollte. So hätte dieser ihn um’s Haar eingeholt, wäre der andere nicht im letzten Moment tollkühn bei Rot zwischen die Autos gesprungen und ihm auf diese recht dramatische Weise entwischt.

(schemenhaft: der Leser wird neben das Bild gestellt, und beobachtet Bewegungen; manchmal schwer verständlich, aber diese Verwirrung kann Absicht sein, wie beim Film, wenn man die Person nicht genau erkennt)

Screenshot von Akira Kurosawas Das Schloss im Spinnwebwald, 1957


Sein Hemd, es schillerte so wundergrünlich, als Albert die Straße hinuntertanzte. Oh, diese Straße! Albert sah sie gar nicht, als er so mir nichts, dir nichts gegen den Ampelmast tanzte. Pardauz! Und die Ampel? Sie stand noch, und zwar auf Rot. Doch der Albert, er war nicht auf seinen Kopf gefallen, er alberte hinüber.

(In diesem Beispiel die Pronomen, so dicht auf die Nomen folgend, sie sind eigentlich überflüssig; es klingt jedoch “exotisch” [“masurisches Deutsch”] und man mag mit Akzent sprechen, “interessante” Akzente setzen, doch die Figur, wenn zu oft wiederholt – sie wirkt aufdringlich; → auch Katapher in “Episch” und Satzumbau in “Selt aber würdig”)

Präposition

An öden Winterabenden kauert manchmal unter der verwitterten Brücke zerstaltetes Gelumpe am Ufer des von aufgewühltem Schlamm getrübten Amurs. Unter diesen zwielichtigen Gestalten befand sich ein Mann mit Triefaugen in einem grün-schimmeligen Pelz. Auf seinem Buckel schleppte dieser Mann einen schweren Sack aus dreckigem Leinen durch die kauernden Lumpengestalten. Vom Flussufer aus kletterte er mit Mühe und dem Sack den Abhang hinauf, zog ihn unter Geächze auf die Brücke, stemmte ihn über das verrostete Geländer und ließ ihn ohne viel Aufhebens in den Amur plumpsen. Ohne den Sack nun schien er nur noch ein flinker Schatten, huschte über die Brücke, drückte sich an den Hauswänden entlang, hastete bei Rot über die Straße und verschwand in der Dunkelheit.

(zahlreiche Präpositionen erzwingen einen ständigen Perspektivwechsel und bereichern die Szene; vergleiche auch → Konjunktion in “Satz”)

Jean-François Raffaëlli: Der Bettler

Kausale Präposition

Bezüglich Ihres Schreibens betreffs Ihrer Beschwerde gegenüber dem Verhalten besagten Individuums, das – wie Sie mutmaßen – infolge einer Intoxikation öffentliches Ärgernis durch anstößige Kleidung hervorrief, sowie infolge eines Fehlverhaltens im Straßenverkehr Ihr Ordnungsempfinden verletzte, möchten wir Sie bitten, zur Kenntnis zu nehmen, dass mangels ausreichender Unterlagen angesichts des Fehlens von Beweisstücken ungeachtet des nicht unbeträchtlichen Aufwandes einer eintretendenfalls unerlässlichen Beweisaufnahme vorbehaltlich der relevanten Bestimmungen die Rechtsgrundlagen für diesbezügliche Ermittlungsmöglichkeiten hierseits nur bedingt gegeben sein dürften.

(Beamtenstil; → auch Amtsdeutsch [Eutrepismus] und Reportstil [Aschematiston])

René Magritte: Golconda, 1953