Adjektive + Attribute

Wie anders aber nun das Bild in die tiefschattige alte Eichenallee! Anmutig belebte sich das üppige Gewölbe, wenn im launischen Frühlingswind die Sonne das Spiel der Zweige und Blättchen vom weit überspannenden Baldachin aufs Pflaster projizierte. Ließ man sich dazu einladen, durch dieses reich animierte Schattenlabyrinth hindurchzuspazieren, so mochte man glauben, im Innern eines schwarz-weißen Kaleidoskops zu wandeln, und das Fachwerk der alten Häuser, das links und rechts hinter den mächtigen Eichenstämmen hervorschimmerte, vertiefte und vervielfältigte noch diesen Eindruck. Die einzigen Farbtupfer im heimlichen Dunkel stammten von den Lichtsignalen einer Ampel, und im Sommer, wenn der raunende Blättertunnel noch schwärzer, noch undurchdringlicher wucherte, strahlte das rot-weiß gestreifte Dach des italienischen Eiswagens recht verlockend hervor. Oft spielten wir Lausbuben hier und einmal sogar begegnete mir Fräulein Spitz, unsere charmante Klassenlehrerin, in einer giftgrünen Bluse und mit einem tropfenden Sahneeis in der nervösen Damenhand. Sahnig und eisig kleckerte es auf ihren Stöckelschuh, ein verhauchtes Hallo wehte mir entgegen und giftgrün wippte sie bei Rot über die Straße.

(sehr üppiges Bild, aber manchmal etwas überladen: der “launische Frühlingswind” wirkt bereits schwülstig und verlangsamt das Tempo, das ohnehin durch den “weit überspannenden Baldachin” verlangsamt wird; ein “raunender” Tunnel, der auch noch “wuchert” ist fast ein schiefes Bild; einfache Adjektive wie “nervös” wirken erfrischend; einfache Adjektive wie “sahnig” oder “eisig” wirken sehr viel origineller, wenn sie als Attribute auftreten; → auch Epitheton in “Lyrisch”)

Carl Friedrich Lessing: Die Tausendjährige Eiche, 1837