Category Archives: Lyrisch

Wiederholung des gleichen Anfangs

Anapher (+ Prosopopöie + Antitheton)

Grün sangen Bäume
als ich in den Frühling trat,
grün sang mein Hemd,
grün meine Hoffnung.

Wie bald verführte doch
das schnolde Rot der Ampel meine Sinne!
Wie bald schritt ich hinüber schon,
wie bald das Ende!

(Anna gut – Anna hübsch – Anna fair; Anapher [Anaphora]: Wiederholung des gleichen Anfangs[wortes] in aufeinander folgenden Versen, Zeilen, Sätzen, etc.; eine sehr wichtige Figur; die Regel “wiederhole Wörter nicht” ist Unsinn; es ist im Gegenteil die Wiederholung – wie in der Musik auch – die Wiederholung ist es, welche sich einprägt, welche auffällt, welche überzeugt; das folgende Beispiel ist die Einleitung des berühmten “Knigges” [Freiherr Adolph Franz Friedrich Ludwig Knigge: Über den Umgang mit Menschen]: “Wir sehen die klügsten, verständigsten Menschen im gemeinen Leben Schritte tun, wozu wir den Kopf schütteln müssen. // Wir sehen die feinsten theoretischen Menschenkenner das Opfer des gröbsten Betrugs werden. // Wir sehen die erfahrensten, geschicktesten Männer bei alltäglichen Vorfällen unzweckmäßige Mittel wählen, sehen, daß es ihnen mißlingt, auf andre zu wirken, daß sie, mit allem Übergewichte der Vernunft, dennoch oft von fremden Torheiten, Grillen und von dem Eigensinne der Schwächeren abhängen, daß sie von schiefen Köpfen, die nicht wert sind, ihre Schuhriemen aufzulösen, sich müssen regieren und mißhandeln lassen, daß hingegen Schwächlinge und Unmündige an Geist Dinge durchsetzen, die der Weise kaum zu wünschen wagen darf.” [vergleiche auch ↪ Perioden in “Satz”]

Knigge 2

das Gegenstück zur Anapher ist die Epipher; die Verbindung von Anapher und Epipher ist die Symploke und die Wiederholung der Kadenz durch den Neuanfang die Anadiplose; Prosopopöie ↪ Personifikation in “Lyrisch”; Antitheton: Gegensatz, ↪ auch unter Epitheton in “Lyrisch”)

Haupt- als Zeitwort

Anthimeria (+ Imperativ + Apokope)

Sumpfe nicht in sauren Mühn.
Draußen lenzt es gras und grün!
Geh mal mit der Sonn’ spazieren,
heb das Herz, erfrisch die Nieren.
Web dich aus dem Netz der Spinn’
und entklebe deinen Sinn.

Dumpfe nicht im trüben Schlick,
doch entstier den stumpfen Blick!
Schwing dich über die Alleen,
schwitze dich durch die Chausseen.
Pflück dir eine grüne Ros’,
blüh sie dir auf deine Hos’.

Strumpf nicht durch die feuchte Pfütz’.
Durch die Wälder streif als Schütz’!
Schieß den Honig der Melone,
steck dir Lorbeer an die Krone.
Trumpf dich auf den Blätterthron,
bette dich in roten Mohn.

(Anthimeria [Antimeria, Antimerie]: grammatisches Umfunktionieren, z.B. Haupt- wird Zeitwort, Lieblingsfigur Shakespeares [“I’ll unhair thy head”], das krasse Gegenteil zur “Funktionssprache”, hier verbiegt die poetische Idee alle Regeln, ↪ auch Anthimeria in “Selt aber würdig” und Metallage in “Dramatisch”; Imperativ ↪ auch Ausruf in “Dramatisch” und Gottesanrufung in “Pompös”; Apokope: die letzte Silbe des Wortes ist weggeschnitten ↪ auch Verkürzungen in “Selt aber würdig”)

(William Shakespeare)

Umbenennung

Synekdoche, Metonymie (+ Anacoloutha + Acoloutha)

Die grüne Seide auf dem Körper klebend
liebwandelt zwischen Köpfen meine Wenigkeit,
als der Poet, wohl mit sich selber redend,
das Warnlicht übersieht in seiner Dämlichkeit.

Es grünt die Seide auf der Haut,
der Riechstoff ist vom Schweiß versaut.
Rot hat die Wut sich angestaut,
als mir ein Licht die Zeit geklaut.

(sag’s anders, Lieblingsfigur der Zeitungsreporter, die – wenn sie im ersten Satz “der Elefant” schreiben – im zweiten sicherlich “das Rüsseltier, im dritten unbedingt “der Dickhäuter”, im vierten wohl sogar “der Pachyderm” schreiben müssen; die Wirkung ist meist recht künstlich; Synekdoche [Synecdoche]: Ersetzen des Ganzen durch einen Teil [Pars pro toto], z.B. “zu sechs Händen” [statt “für drei Pianisten”]; Metonymie: Ersetzen eines Begriffes durch Verwandtes, z.B. “Riechstoff” statt “Parfüm”; Anacoloutha: nicht-reziprokes Synonym, z.B. “Licht” für “Ampel” [aber nicht “Ampel” für “Licht”; der Herrgott sprach nicht: “Es werde Ampel!”]; das Gegenteil, ein reziprokes Synonym, ist Acoloutha, z.B. “Klavierspieler” für “Pianist”; verwandte Figuren → Metapher in “Lyrisch” und Metalepsis in “Humor”)