Satzgefüge mit Konjunktion

Tief unter mir gingen meine Freunde frohgemut nach Hause, indes ich, in eine garstige Eule verwandelt, auf meinem Baum saß und weinte. Eine Eulenträne tropfte ausgerechnet dem Thorsten auf den grünen Tornister, ohne dass dieser sich jedoch darum bekümmert hätte. Während er nun da unten so trällernd, fidel und bei Rot über die Straße schlenderte, grämte ich mich darob in meinem Baum.

(indes, ohne dass, während, etc.; bei Wechsel der Perspektive recht wirkungsvoll; so wie die Präpositionen die Lotsen der [Haupt]wörter sind, betreiben die Konjunktionen die Navigation der Nebensätze; die Regel “fang einen neuen Hauptsatz an, wenn du etwas Neues sagen willst” ist Unsinn, wenn ein Nebensatz mit “Neuem” eine pikante Dissonanz zu erzeugen vermag; die Konjunktion ist die Hand, welche die Filmkamera schwenkt)

Perioden

Wenn ich sehe, wie oft du in diesem stinkenden Hemde gehst, wie du überhaupt nur dies eine grüne anziehst, worauf du auch noch stolz bist, worauf du dir Wunder was einbildest, wie du nun jeden Tag draußen herumlungerst, dich nur immer in den gemeinsten Vierteln herumtreibst, ja, die verrufensten Kneipen aufsuchst, wie du da Stunden sitzt, mit albernen Räuberpistolen prahlst, dich volllaufen lässt bis zur Besinnungslosigkeit und dich dann auch noch andere Typen von deiner Sorte nach Hause tragen müssen, dabei die grässlichsten, unflätigsten Reden führend, “Gossen”hauer gröhlend, auf dem Kot ausrutschend, über die Kreuzung wankend, sich übergebend, überhaupt den Verkehr unserer Stadt völlig lähmend – nein, da muß ich dir sagen: ich hab damit nichts zu tun, geh du deine eigenen Wege!

(Henri de Toulouse-Lautrec)

(nicht zu verwechseln mit dem sich zerfleddernden Schachtelsatz; Parallelismus, eigentlich auf Klimax zielende Anhäufung; wirkungsvoll, wuchtig → Accumulatio; die Regel “sag das Wichtige am Anfang des Satzes” ist Unsinn, wenn die Perioden Spannung aufbauen, wenn sie sich wie eine Spirale nach oben drehen können; wie lahm wäre dies Beispiel so: “Ich finde, Du solltest deine eigenen Wege gehen, da ich sehe dass du …”; Perioden werden oft im Zusammenhang mit Predigern erwähnt; hier ist aus der Beschreibung der Predigt des Pastors Paulmann im Anton Reiser von Karl Philipp Moritz, 1785:

“Dem Verzweifelnden wurde zugerufen: knie nieder in Staub und Asche, bis deine Knie wund sind, und sprich: ich habe gesündigt im Himmel und vor dir – und so fing sich ein jeder Periode an mit: ich habe gesündigt im Himmel und vor dir! und dann folgte nach der Reihe das Bekenntnis: Witwen und Waisen hab ich unterdrückt; dem Schwachen hab ich seine einzige Stütze, dem Hungrigen sein Brot genommen – so ging es durch das ganze Register der Freveltaten. – Und jeder Periode schloß sich dann: Herr, ist es möglich, daß ich noch Gnade finde! –

Alles zerschmolz nun in Wehmut und Tränen. – Der Refrain bei jedem Perioden tat eine unglaubliche Wirkung – es war, als wenn jedesmal die Empfindung einen neuen elektrischen Schlag erhielt, wodurch sie bis zum höchsten Grade verstärkt wurde. – Selbst die zuletzt erfolgende Erschöpfung, die Heiserkeit des Redners (es war, als schrie er zu Gott für die Sünden des Volks) trug zu der allgemeinen um sich greifenden Rührung bei, die diese Predigt verursachte; da war kein Kind, das nicht sympathetisch mitgeseufzt und mitgeweint hätte.”

→ auch Perioden als Verszeilen in “Satz” und Perioden in “Pompös”;


Reiser


hier noch ein recht “kaltes” Beispiel, der Beginn von Franz Kafkas Erzählung Der Kübelreiter: “Verbraucht alle Kohle; leer der Kübel; sinnlos die Schaufel; Kälte atmend der Ofen; das Zimmer vollgeblasen von Frost; vor dem Fenster Bäume starr im Reif; der Himmel, ein silberner Schild gegen den, der von ihm Hilfe will.”)

Winter

Ausschnitt aus Pieter Brueghels Winter, 1565

Perioden als Verszeilen

Wo grüne Hemden uns erfreuen,
wo Blumen zwitschern, Vögel blühn,
wo Ampeln rot und saftig singen,
da greif’ zum Stift, mein Freund,
da schreib’ Perioden.

(→ Perioden in “Satz”, Anapher in “Lyrisch” und Dreigliedrig in “Spannung”; deutlich spürt man beim Periodischen hier den Übergang von der Prosa zur Lyrik; irgendetwas schaukelt sich auf, ein Rhythmus, der bereits Aussage ist, selbst wenn der “Inhalt” – wie hier – “unsinnig” scheint: Musik entschlüpft dem Ei der Sprache)

Dali Ei 2

Salvador Dali: Geopolitisches Kind beobachtet die Geburt des neuen Menschen, 1943

Ironie

Ironie (+ Polysyndeton + Alliteration)

Grün bin ich wie die Mode
so hehr und hold und Hemd;
ich schau mich an und sehe
mein Haar so ungekämmt.

Stumm steh ich an der Ampel
so rot und so gehemmt.
Ich schaue nicht hin und ich gehe
so froh und frei und fremd.

(poetische Reflektion à la Heine, von den vielen Heinisten etwas abgetragen; Goethe über Ironie: “Ironie ist das Körnchen Salz, das das Aufgetischte überhaupt erst genießbar macht.”; ↪ auch Ironie in “Dramatisch” und Ironie in “Humor”; Polysyndeton: und…, und…, → Polysyndeton in “Episch”; Alliteration → Alliteration in “Reim”)

(Rolf-Peter Wille)

Schmückendes Beiwerk

Epitheton (+ Pleonasmus + Antitheton + Ironie)

Trägst ja so grasgrüne Kleider,
dunkelgrün wie der Smaragd.
Liebster, im Leben, ach leider,
bist du ein wenig betagt.

Siehst ja so blutrote Lichter,
feuerrot wie der Rubin.
Leider, ach Liebster, als Dichter,
fehlt dir poetischer Sinn.

Fliegst ja hinüber soeben,
schwalbenschnell, hurtig, behend’.
Liebster, ach leider, das Leben
ist nur ein kurzer Moment.

(Epitheton [epithet]: schmückendes Beiwerk; → auch Adjektive und Attribute in “Wort” und Beschreibende Angabe in “Geistlos”; wirkt schön kitschig; → auch Epitheton in “Pompös”; Pleonasmus: überflüssige Wörter → Redundanz in Geistlos; Antitheton: Gegensatz; Ironie: → Ironie in “Lyrisch” und Ironie in “Dramatisch”)

(Kaiserin Theodora), Ravenna, 547

Wunder + Freude

Thaumasmus + Paeanismus

Wie lustig lockt der Sommer mich
mit seinem Regenbogen,
wie meine Augen wonniglich
die Farben eingesogen!

Wie angenehm, im grünen Kleid
durch die Natur zu wandeln
und, trifft man eine hübsche Maid,
zu scherzen und zu tandeln!

Wie wunderbar die Ampel strahlt,
so rot und so markant!
Welch Meister hat dies Bild gemalt
mit schöpferischer Hand?

So tanz ich durch die Sommerflur,
tanz durch ihr helles Bunt.
Wie lieb ich dich, du Frohnatur!
Ich küsse deinen Mund!

(Thaumasmus: Wunder, [Thaumatologie: Lehre von den Wundern]; Paeanismus: Ausdruck der Freude, [Paian, Päan, oder Paion: feierlicher Dankgesang]; hier wirkt es recht beschwingt und die “normale” Einförmigkeit der Sprache ist durch Ausrufe und Fragen aufgelockert; kann aber rasch kitschig wirken ↪ auch Exklamation und Antypophora in “Dramatisch”)

Pablo Picasso: Tanz

Sympathie + Antipathie

Exuscitatio + Indignatio

So locker liegt es auf der Haut, so leicht,
so lieblich schimmert seine grüne Seide,
wie ein Parfum, wie ein Gedicht, ein Duft,
so schmiegt es sich an mich, mein Frühlingskleid.

Oh, diese Bolchenfarben! Ach, wie seicht!
Und die Motoren, ihre Eingeweide,
rumoren und ihr Gas verschmutzt die Luft!
Ich flieh die Autoschlang mit Hastigkeit.

(Sympathie erweckend; Antipathie erweckend)

(Franz Xaver Messerschmidt)

Bildsprung

Epitrochasmus (+ Asyndeton)

Verwüstet hat der Sturm das Land.
Es fiel die Stadt. Die Erde bebte.
Wo ist die Jugend nun? Sie schwand,
bevor ich sie bewusst erlebte.

Das grause Alter frisst die Freud.
Ein Mümmelgreis entschlüpft dem Kinde.
Wo sind die Freunde? Ach, zerstreut
in alle Welt, verweht vom Winde.

Wo ist mein frisches, grünes Hemd?
Verwelkt ist’s schon, ist tot, ist schlicht.
Entglitten ist mein Wesen, fremd.
In’s Grau verdämmert rotes Licht.

(rasche Modulation, von Bild zu Bild springend; → Gryphius: “Die Türme stehn in Glut, die Kirch’ ist umgekehret. / Das Rathaus liegt im Graus, die Starken sind zerhaun, / Die Jungfern sind geschänd’t, [Tränen des Vaterlandes, 1636]; → auch Kurzer Hauptsatz in “Satz” und Hypozeuxis in “Spannung”; Asyndeton: ohne Konjunktion → Asyndeton in “Spannung”, Gegenteil ↪ Polysyndeton in “Episch”)

Arnold Böcklin: Krieg, 1896

Metapher + Simile

Metapher + Simile (+ Hypocatastasis)

Gespuckt in eine Menschenlake
saugt mich die Straße gierig ein,
verschlingt sie wie ein Riesenkrake
mich und mein grünes Mäntelein.

Rot schimmert mir im Dunste Licht
verrauchter Sonnen, fauler Sterne,
auch manch ein totes Fischgesicht.
Ans andre Ufer schwämm ich gerne.

(durch die Blume reden; Metapher [übertragene Bedeutung]: “Du bist eine Blume”; verwandt sind ↪ Metonymie in “Lyrisch” und Metalepsis in “Humor”; eine erweiterte Metapher ist die ↪ Allegorie; Simile [Vergleich, Similitudo]: “Du bist wie eine Blume”; ↪ auch Simile in “Alltag” und Icon in “Dramatisch” und Icon in “Spannung”; Hypocatastasis [nennt nicht das “Target”, oder Ziel, der übertragenen Bedeutung]: “Schau, die Blume blüht” [aber ich meine “das Mädchen ist hübsch”]; Übertreibung – wie hier – wirkt zunächst originell, expressionistisch, dann aber rasch ermüdend, wenn die Bilder auseinandertreiben anstatt sich zu verdichten; immerhin bin ich hier mehr oder weniger beim “Fischigen” geblieben; vergleiche ↪ Bildbruch in “Lyrisch” und Bildvermischung in “Spannung”)

Sprachkunst, Rhetorik, Figuren: 300 Veränderungen über einen Satz — mit Kommentaren und Illustrationen — „Grüne Figur bei Rot": Kleines Rhetorikum ©2009 Rolf-Peter Wille