X.
Ich bin nur kurz bei Rot gelaufen,
um mir ein grünes Hemd zu kaufen.
Es fehlte mir die rechte Ruh.
Ich glaubte, das Geschäft macht zu.
Y.
Dies sind zwar keine guten Gründe,
doch ich vergeb’ dir deine Sünde.
(Philophronesis [Philophronese]: Einlenken, Besänftigen; Sygnome: Entschuldigung, Vergeben einer Missetat [ein ziemlich obskurer Begriff]; ↪ auch Nachgeben in “Alltag” und Zugeben in “Geistlos”)
Rembrandt van Rijn: Die Rückkehr des verlorenen Sohnes, 1666-69
Ich wandelte mit grünem Hemd
und sprintete bei rotem Licht.
In Grün,
bei Rot.
(Dikolon [Dicolon]: zwei “Glieder”, oder Kola, gleicher Länge; hier “Parallelen” [oder das Gegenteil: kreuzweise]; → auch Perioden und Perioden als Verszeilen in “Satz” und Trikolon in “Spannung”)
Grün ist mein Hemd – die Ampel rot.
Ums Leben gehts hier – um den Tod.
Verhungernd sause ich mit Brot
beim Stillstand sauber durch den Kot.
Wassily Kandinsky: Reiter, 1911
(Antithese [Antithesis]: Gegensätze; in meinem Beispiel eine Verbindung von Parallelismus und Chiasmus; Nebeneinanderstellen gegensätzlicher Wörter oder Ideen: “corruptio optimipessima” [die Korruption der Besten ist das Schlimmste])
Auf der Straß’ lief ich in grünem Hemd,
vorbei an den Geschäften, durch die Leute,
durch die Autos, dann zu großer Form auf
und bei Rot hinüber.
(“ich lief zu großer Form auf”)
(Syllepse [Syllepsis]: meist ironische Mehrfachbedeutung eines Verbs [hier “lief”]; in dem folgenden Beispiel regiert das Verb “besitzen” eine recht bunte Ansammlung von Objekten: “Herr Joseph Giebenrath, Zwischenhändler und Agent, zeichnete sich durch keinerlei Vorzüge oder Eigenheiten vor seinen Mitbürgern aus. Er besaß gleich ihnen eine breite, gesunde Figur, eine leidliche kommerzielle Begabung, verbunden mit einer aufrichtigen, herzlichen Verehrung des Geldes, ferner ein kleines Wohnhaus mit Gärtchen, ein Familiengrab auf dem Friedhof, eine etwas aufgeklärte und fadenscheinig gewordene Kirchlichkeit, angemessenen Respekt vor Gott und der Obrigkeit und blinde Unterwürfigkeit gegen die ehernen Gebote der bürgerlichen Wohlanständigkeit.” [Beginn der Erzählung Unterm Rad von Hermann Hesse]; ↪ auch Syllepse in “Geistreich” und Syllepse in “Selt aber würdig”; vergleiche auch ↪ Prozeugma in “Geistreich”, Diazeugma in “Spannung” und Hypozeugma in “Humor”; Asyndeton: ohne Konjunktion, ↪ auch Bildsprung in “Lyrisch” und Brachylogie und Accumulatio in “Spannung”)