Category Archives: Pompös

Treueschwur + Vorsatz

Eustathia + Euche

Nie will ich ohne dich, mein Grünhemd, laufen!
Nie will ich je – ich schwör’s – ein neues kaufen!
Werd ich dereinst den heil’gen Schwur vergessen,
dann soll’n die Autos auf der Straß’ mich fressen!

(Treueschwur; Vorsatz, Gelöbnis; ↪ auch Schwören in “Geistlos”)

Treueschwur

Jacques-Louis David: Der Schwur der Horatier, 1784

Beleidigung + Anklage

Insultatio + Categoria + Bdelygmia + Cataplexis

Du Grendel, grünbeschupptes Monster,
hinterlist’ger Schuft, du Schurke!
Zurück, versink in deinen Sumpf!
Wag’s nicht, dich auf der Straß zu zeigen!
Entschuppen soll man dich, du Biest,
an langem Spieß in rotem Feuer
rösten bis du Ruß geworden!

(Beleidigung; Anklage; Hass; Strafandrohung; der alles übergeifernde Meister der Beleidigung ist – who else? – William Shakespeare: “Mag mir als Honig-Mund die Zunge schwären” [Das Wintermärchen], “Der Teufel brenn’ dich schwarz, milchbleicher Lump! / Wie kommst du an den Gänseblick? / Reib’ dein Gesicht, die Furcht zu überröten, / Weißlebriger Hund! Was für Soldaten, Hansnarr? / Hol’ dich der Teufel! Deine Kreidewangen / Verführen all’ zur Furcht. Was für Soldaten, / Molkengesicht?” [Macbeth], “Dein tödlich Auge schließe nie der Schlaf, / Es sei denn, weil ein peinigender Traum / Dich schreckt mit einer Hölle grauser Teufel! / Du Mißgeburt voll Maler! Wühlend Schwein! / Du, der gestempelt ward bei der Geburt, / Der Sklave der Natur, der Hölle Sohn! / Du Schandfleck für der Mutter schweren Schoß! / Du ekler Sprößling aus des Vaters Lenden! / Du Lump der Ehre! Du mein Abscheu –” [Richard III], etc., etc., etc.; → auch Zurückweisung in “Dramatisch”, Fluch in “Pompös” und Entwürdigende Bezeichnungen in “Abwertend”)

Margaret

(Margaret in Richard III)

Fluch

Ara (+ Ironie + Perioden)

Meinen Fluch aber ziehe er an wie sein Hemd,
wie seine Haut werde ihm das Hemd,
zu grünem Schimmel werde ihm seine Haut,
das Ampelrot brenne auf seiner Haut wie Feuer,
zu Asche brenne ihn das Feuer,
zur Nacht müsse ihm der Tag werden,
gezählt müssen seine Tage sein,
Unglück geschehe ihm auf der Straße,
ein LKW zermalme ihn,
zu Staub werde er,
ausgerottet soll seine Sippe sein,
sein Weib eine Waise und Witwen seine Kinder.

(Fluch, ↪ Bibel: “ALS nu Noah erwacht von seinem Wein / vnd erfur / was jm sein kleiner Son gethan hatte / sprach er / Verflucht sey Canaan / vnd sey ein Knecht aller knecht vnter seinen Brüdern.” [1. Mose 9]; ↪ auch Zurückweisung in “Dramatisch”, Anklage in “Pompös” und Üble Vorhersage in “Geistlos”; Perioden: ↪ Perioden in “Satz”)

Fluch

Gustave Doré: Noah verflucht Kanaan

Pathos + Mahnung

Pathos + Cohortatio (+ Commiseratio + Bathos)

Dies sind die – sieh – dies sind die grünen – sieh –
dies sind die Fetzen seines grünen Mantels.
Sein Mantel ist’s, den du so oft gesehen,
in dem er oft mit dir spazieren ging.
Der Ärmel hier, der Fetzen seines Ärmels,
der Fetzen war’s – der Arm stak noch darin –
den ihm der Bus vom Körper riss, den Arm
mit Fleisch, mit Blut, mit Haut, mit allen Knochen.
Dies ist – hier sieh – dies ist die Reifenspur
des Lastkraftwagens, der ihn überrollte,
als er dahingestreckt, als hilflos er
in seinem Blute auf dem Asphalt lag.
Und hast du Tränen, so vergieß sie jetzt,
denn hier in seiner Manteltasche liegt
noch unzerknüllt der Brief, den er an dich,
jawohl an dich und keine andre, schrieb.

(Pathos: Überzeugung durch Leidenschaft; Beeinflussung des Gefühls; mein Beispiel parodiert die berühmte aufwieglerische Rede von Antony in Shakespeares Julius Caesar: “Wofern ihr Tränen habt, bereitet euch, / Sie jetzo zu vergießen. Diesen Mantel, / Ihr kennt ihn alle; doch erinnr’ ich mich / Des ersten Males, daß ihn Cäsar trug / In seinem Zelt, an einem Sommerabend – / Er überwand den Tag die Nervier – / Hier, schauet! fuhr des Cassius Dolch herein; / Seht, welchen Riß der tücksche Casca machte! / Hier stieß der vielgeliebte Brutus durch; / Und als er den verfluchten Stahl hinwegriß, / Schaut her, wie ihm das Blut des Cäsar folgte, / Als stürzt’ es vor die Tür, um zu erfahren, / Ob wirklich Brutus so unfreundlich klopfte.” [das unerwartete “Hier, schauet!” sticht wie ein Dolch in die “Erinnerung”]; Cohortatio: leidenschaftliche Ermahnung, Aufforderung; Commiseratio: Mitgefühl ausdrücken und erbitten; Bathos: Stilbruch, z.B. durch plötzlichen Fall aus dem Pathetischen in’s Gewöhnliche)

          Marlon Brando als Mark Antony in Julius Caesar (1953)

Klage

Threnos (+ Fragepronomen)

Wer raubte uns den Einen,
den Einzigen, den Hehren?
Die Würmer selbst, sie weinen,
die sein Gebein verzehren!

Wo klingt die liebe Stimme?
Wem scheint sein sanfter Blick?
Welch Wesen, welches schlimme,
verdarb ihm sein Geschick?

Wer lenkte seine Schritte,
welch teufelischer Engel,
ins tückische Gedrängel
der üblen Straßenmitte?

Nun ruhet er für immer
tief unter frischem Gras.
Sein Grün verwelke nimmer,
in unserm Tränennass!

(Klageweiber auf einem Wandgemälde in Luxor)

(Wehklage, Klagelied: “WJe ligt die Stad [Jerusalem] so wüste: die vol Volcks war? Sie ist wie ein widwe / Die eine Fürstin vnter den Heiden / vnd ein Königin in den Lendern war / mus nu dienen. Sie weinet des nachts / das jr die Threnen vber die Backen lauffen / Es ist niemand vnter allen jren Freunden / der sie tröste / Alle jre Nehesten verachten sie / vnd sind jre Feinde worden.” – Beginn der Klagelieder Jeremias)

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Jeremia, Knesset-Menora, Jerusalem

Gedenkrede

Epilog, Epitaph

Es war das Leben ihm zu lau, zu lasch.
Das Ohr der Welt verstand ihn nicht, das müde.
Zu feurig sang sein grüner Geist, zu rasch
verglühte er. Doch während wir frigide
vor Trauer schweigen, singet seine Asch
in mächtigem Choral und kühnem Liede.
So schreitet er gewaltig durch den Tod.
Und hinter ihm erlischt das Ampelrot.

(Grab-, Gedenkrede; ↪ Goethe auf Schiller: “Und hinter ihm in wesenlosem Scheine / Lag, was uns alle bändigt, das Gemeine.”; Stanze: abababcc ↪ Stanze in “Vers”;

Goethe-Schiller Denkmal in Weimar

“Sechs Monden sind’s, da standen wir hier an demselben Orte; klagend, weinend: denn wir begruben einen Freund. Nun wir wieder versammelt sind, laßt uns gefaßt sein und mutig: denn wir feiern einen Sieger. Hinabgetragen hat ihn der Strom des Vergänglichen in der Ewigkeit unbesegeltes Meer. Ausgezogen, was sterblich war, glänzt er ein Sternbild am Himmel der Nacht. Er gehört von nun an der Geschichte. Nicht von ihm sei unsere Rede, sondern von uns. / Wir haben einen Stein setzen lassen. Etwa ihm zum Denkmal? Uns zum Wahrzeichen! Damit noch unsre Enkel wissen, wo sie hinzuknieen haben, und die Hände zu falten, und die Erde zu küssen, die sein Gebein deckt. Einfach ist der Stein wie er selbst war im Leben, nicht groß; um je größer, um so spöttischer wäre ja doch der Abstand gegen des Mannes Wert. Der Name Beethoven steht darauf, und somit der herrlichste Wappenschild, purpurner Herzogsmantel zugleich und Fürstenhut. Und somit nehmen wir auf immer Abschied von dem Menschen, der gewesen, und treten an die Erbschaft des Geistes, der ist und bleiben wird.” – Franz Grillparzer Rede am Grabe Beethovens bei der Enthüllung des Denksteines, 1827)

Grillhoven

Franz Grillparzer und Ludwig van Beethoven