Category Archives: Pompös

Gleicher Anfang + gleiche Kadenz

Symploke

Ich aber sprach zu dir:
Du sollst nicht grüne Hemden anziehen – warum tatest du’s?
Du sollst nicht auf der Straße bummeln – warum tatest du’s?
Du sollst nicht bei Rot hinübergehen – warum tatest du’s?
Warum?

Rembrandt: Moses mit den zehn Geboten, 1659

(Symploke [Symploce]: Anapher plus Epipher; berühmt ist Goethes Alles geben die Götter:

     Alles geben die Götter, die unendlichen,
     Ihren Lieblingen ganz,
     Alle Freuden, die unendlichen,
     Alle Schmerzen, die unendlichen, ganz.)

Hinwendung

Apostrophe

Mein grünes Hemd, sei mir gegrüßt,
ich trage dich nun hundert Jahr!
Und du, auf der ich unscheinbar
schon manchesmal gewandelt war,
oh Straße, dich hab ich vermisst!

Du bist’s, oh Lieb’, zu dem ich fleh’,
Mein Licht, vertausche deine Farbe!
Im Roten schmachte ich und darbe.
Wie grausam bist du, böse Narbe
in meiner Seele! Doch ich geh’!

(“geliebte Apostrophe, oh grausame blahblah…”, (Abwendung vom wirklichen) und Hinwendung zu einem eingebildeten Gesprächspartner, auch Tier, Gegenstand, usw.; immer als Ausruf (wobei die rhetorische Absicht eigentlich den wirklichen Zuhörer oder Leser betrifft; Franz von Assisi mag zu den Vögeln gepredigt haben, aber wieso wissen wir Menschen das?); ↪ auch Apostrophe in “Episch” und Urteil erheischend in “Pompös”; in Shakespeares Julius Caesar spricht Mark Antony zu Caesars Leiche: “O du, verzeih’ mir, blutend Stückchen Erde, / Daß ich mit diesen Schlächtern freundlich tat! / Du bist der Rest des edelsten der Männer, / Der jemals lebt’ im Wechsellauf der Zeit.”)

Francis

Giotto di Bondone: Franziskus predigt zu den Vögeln, ~1295)
(im Gegensatz zu meinem sprachlichen Beispiel und zu “Mark Antony” ist diese Hinwendung allerdings keineswegs “pompös”)

Urteil erheischend

Anacoenosis (+ Apostrophe)

Oh sprich, geliebte Ampel,
ist mein Hemd nicht schick?
Schau, dieses schmucke Grün!
Welch Wonn’, welch holdes Glück!

Auch dir, geliebter Leser, würd’ es sicher passen.
Soll man die Eleganz bei Rotlicht warten lassen?

(das Urteil, bzw. die Zustimmung der Zuhörer erheischend; ↪ rhetorische Frage; Apostrophe: Hinwendung [oft an etwas Unbelebtes oder Eingebildetes], ↪ auch Apostrophe in “Episch” und Apostrophe in “Pompös”)

Eleganz

(d’après Toulouse-Lautrec)

Segen + Danksagung

Eulogie + Eucharistie

Empfange, denn du schützt vor Regen,
oh Schirm, du grüner, meinen Segen.
Dir gilt mein Dank: Du dienst als Degen,
schlag ich mit Ampeln mich verwegen!

(Eulogie [Eulogia]: Segen [“Vnd Gott segnet sie / vnd sprach zu jnen / Seid fruchtbar vnd mehret euch vnd füllet die Erden / vnd macht sie euch vnterthan” – 1. Mose 1 28]; Eucharistie [Eucharistia]: Danksagung [“Jhesus aber hub seine Augen empor / vnd sprach / Vater / ich dancke dir / das du mich erhöret hast.” – Johannes 11 41)

Segen

Hans Memling: Christus gibt seinen Segen, 1481
(dieser Segen ist sicher nicht “pompös”)

Liebe

Find ich dich wieder wohl im Frühlingswinde?
So weht er nicht, wie du, so sanft und Seide!
Such ich dein Süß in einer Sommerlinde?
Strahlt mir dein Grün aus ihrem Blätterkleide?

Soll ich den Schimmer deiner Rosenlippen,
Soll ich ihr Rot im Rosa denn besingen,
Vom Wonnemund und seinem Wein zu nippen,
die Würze kühn in schale Jamben zwingen?

Ich darf es nicht! Beschämt steh ich als Dichter,
Wo meine Kunst versagt vor solchen Reizen,
Und ich gesteh: Es sind nur Hohngesichter,
Die sich im Lied von meiner Ohnmacht spreizen.

Wie ich es dreh’, es soll mir nicht gelingen.
Darum, mein Lieb, darf ich nicht weitersingen.

Liebe

(Darstellung höfischer Liebe auf einer Goldtruhe: Die anmutige Maid in Schwarz lauscht dem Konzert ihres Anbeters mit in die Seiten gestemmten Armen während die grüne den ihrigen in einem Halsband gefangen hält)

(die kitschigsten Stilfrüchte blühen im Liebesgedicht; die berühmtesten Liebessonette stammen von Petrarca [↪ Sonett in “Vers” und Nebeneinanderstellen von Gegensätzen in “Alltag”] und von Shakespeare: “Shall I compare thee to a summer’s day? / Thou art more lovely and more temperate: / Rough winds do shake the darling buds of May, / And summer’s lease hath all too short a date;” [“Soll ich dich einem Sommertag vergleichen? / Er ist wie du so lieblich nicht und lind; / Nach kurzer Dauer muß sein Glanz verbleichen, / Und selbst in Maienknospen tobt der Wind.” [Übersetzung von Schlegel/Tieck] – Sonett 18; Englisches Sonett ↪ auch Englisches Sonett in “Abwertend”; die Wiege aller Liebesgesänge ist sicherlich das Hohelied Salomos: “SJhe meine Freundin / du bist schön / Sihe / schön bistu. Deine Augen sind wie taubenaugen / zwisschen deinen Zöpffen. Dein Har ist wie die Ziegen herd / die beschoren sind auff dem berge Gilead. Deine Zeene sind wie die herde mit beschnitten wolle / die aus der schwemme komen / […] Deine Lippen sind wie eine rosinfarbe schnur / vnd deine Rede lieblich. Deine Wangen sind wie der ritz am Granatapffel / zwisschen deinen zöpffen. Dein Hals ist wie der thurm Dauid / mit brustwehr gebawet / daran tausent Schilde hangen / vnd allerley waffen der Starcken. Deine zwo Brüste sind wie zwey junge Rehe zwillinge / die vnter den rosen weiden / bis der tag küle werde / vnd der schatten weiche. […].”)

Hohelied

“Christus und die minnende Seele”
(aus einem Gebetsbuch des 15. Jahrhunderts)

Unterteilung

Taxis

So wie die Sonne rund, der Himmel blau,
die Ampel rot, der Adler edel, kühn,
der Sommer heiß, der Winter kalt, genau-
so ist auch mein Armani Anzug grün.

(eigentlich Aufteilung; hier: jedes Subjekt hat seine Eigenschaft ↪ auch Unterteilung und Auswahl in “Alltag”, Aufzählung in “Geistlos” und Unterteilung in “Humor”)

Armani

Andy Warhol: Armani, 1981

Schmückender Zusatz

Antonomasie, Epitheton (+ Apostrophe + Katachrese)

Das Grüne, dieser Quell der Frische,
verziert mein wundersames Kleid.
Ich trug dich manches mal bei Tische,
oh süße Frucht, du, meiner Freud!

Heut’ schmückest du mich auf der Straße.
Ach, wunde Ader dieser Stadt,
wo man das Blut im Übermaße
vergießt und stets vergossen hat!

Da plötzlich schallt ein drohend’ Bellen
vom strengen Kerb’ros des Verkehrs,
die Menschen-, die Motorradwellen,
die Wogen dieses Automeers,

versteinern wie der kalte Marmor –
(oh Michelangelo, Genie!).
In meiner Rüstung, meinem Armor,
bezwinge ich das Höllenvieh.

(Höllenvieh: nicht Michelangelo, sondern Kerberos, der Höllenhund…; Epitheton: schmückendes Beiwerk; kann auch Beiname [Sobriquet] sein [“Karl der Kümmerliche”]; → auch Epitheton in “Lyrisch” und Beschreibende Angabe in “Geistlos”)

William Blake: Cerberus [Kerberos]

Verbildlichung

Allegorie

Am Kreuzweg droht der hohle Mann
hat schon sein Feuerchen entfacht.
Erstarrt steh ich im Zauberbann;
des Roten Todes Maske lacht.

Doch Elpis mit dem Füllhorn naht
und einem göttlich grünen Kleid.
Ich lausche hoffnungsfroh dem Rat
und bin zu edler Tat bereit.

Ich rühr die kampferprobten Glieder.
Schon sinkt der Sensenmann darnieder.
Und mit der Göttin, Hand in Hand,
entschwebe ich dem Schattenland.

Elpis

Elpis

(die Göttin der Figuren; eine erweiterte Metapher; auch Symbol [Zeichen; hier die Maske des roten Todes als Anspielung auf Edgar Allan Poes Erzählung und damit auf Seuche und Tod], symbolische Figuren [hier Elpis mit dem Füllhorn als Göttin der Hoffnung] und Bilder; auch Gleichnis und Parabel; → Jesus als der wahre Weinstock: “JCh bin der Weinstock / Jr seid die Reben / Wer in mir bleibet / vnd ich in jm / der bringet viel frucht / Denn on mich künd jr nichts thun.” [Johannes 15])

Weinstock

“Christus der wahre Weinstock”
(griechische Ikone, 16. Jahrhundert)

Gottesanrufung + Ausruf

Invokation, Deesis + Ecphonesis

Schenk ein mir, Bacchus, von dem grünen Saft!
Verleih’ mir, flinker Hermes, deine Schwingen,
den Mut du kriegerischer Mars und Kraft,
die Schrecken jener Kreuzung zu bezwingen!

(hier: Gottesanrufung, -anflehung; Ausruf; eine exotische Figur? eigentlich nicht – wie oft schreien wir “oh mein Gott!”? ↪ auch Ausruf in “Dramatisch” und Einwurf in “Humor”)

Bacchus