Amphibrachys im Limerick

Ein emsiger Dichter aus Emden
erregte beim Leser Befremden.
    Er war ein Chaot
    und ging nur bei Rot,
doch stets trug er grünliche Hemden.


Ein Ampelmännchen aus Minden,
das wollte sein Brüderchen finden.
    Es tat sich bemüh’n
    und rannte in Grün –
kam’s rote, so musst’ es verschwinden.

(tscha-bong-tscha, tscha-bong-tscha; aabba; das leicht Leiernde wirkt hier witzig; → auch Amphibrachys in “Vers” und Amphibrachys in “Episch”; Limerick → Limerick und Wortspiel in “Humor”

(~ 1875)

Limericks lassen sich auch als Strophen längerer Gedichte verwenden; hier ein eigenes Beispiel:

Der versierte Sevërus

(Kritiker der Musik)

Sevërus war nie ein Politiker.
Er war nicht charmant. Er war Kritiker.
    Er trug eine Brille.
    Es ward auch sein Wille
Stets strenger, stets strikter, stets strittiger.

Wenngleich auch als Mensch reserviert
Als Kritiker schien er versiert.
    Da wurde ein jeder
    Mit giftiger Feder
Nach Strich und nach Faden blamiert.

Die Musiker und die Sonaten
Die waren verkauft und verraten.
    Sevërus bewarf
    Sie je nach Bedarf
Mit faulen verbalen Tomaten.

Die Väterchen, selbst die barocken,
Die hauen ihn nicht von den Socken.
    Bei Händel und Bach
    Da bleibt er nicht wach:
“Das ist mir so kalt und so trocken.”

Die klassischen Meister, die Wiener?
Sevërus verdammt sie nach China.
    Den Mozart, den Haydn
    Die kann er nicht leiden:
“Lakaien, Lackaffen und Diener!”

Der Ludwig, Du weißt schon, der van,
Der ist ihm ein seltsamer Mann.
    Kein musischer Kuss;
    Am epischen Fluss:
“Da ist ja nun wirklich nichts dran.”

Und von der Romantik zu schweigen.
Piani-, Cellisten und Geigen,
    Chopin oder Liszt
    Ist alles nur Mist:
“Da tanzen die Ferkel im Reigen.”

Der Schubert, der ist ihm zu lyrisch,
Und Schumann schon fast wieder tierisch.
    Johannes der Brahms
    Das ist so ein Krams:
“Das ist weder phrygisch noch syrisch.”

Zu schweigen von Impressionisten.
Die stehn auf den schwärzesten Listen.
    Fauré und Ravel?
    Welch teuflisch Gebell:
“Das sind Amateurkomponisten!”

Zu schweigen auch von den Modernen.
Draus kann er nun gar nichts mehr lernen.
    Ob Schön- oder Berg –
    Welch scheußliches Werk:
“Die sollte man schlichtweg entfernen.”

Bei einem nur kennt er kein Nein.
Wer ist denn so sauber und rein?
    Wer kann sich erwehren
    Der kritischen Lehren?
Man fragt sich, wer mag das bloß sein?

Nur einer ist himmlisch und fein
Und trägt einen Heiligenschein.
    Den soll man verëhren,
    Den einzigen hëhren
Versierten Sevërus allein.

Kritiker