Pathos + Cohortatio (+ Commiseratio + Bathos)
Dies sind die – sieh – dies sind die grünen – sieh –
dies sind die Fetzen seines grünen Mantels.
Sein Mantel ist’s, den du so oft gesehen,
in dem er oft mit dir spazieren ging.
Der Ärmel hier, der Fetzen seines Ärmels,
der Fetzen war’s – der Arm stak noch darin –
den ihm der Bus vom Körper riss, den Arm
mit Fleisch, mit Blut, mit Haut, mit allen Knochen.
Dies ist – hier sieh – dies ist die Reifenspur
des Lastkraftwagens, der ihn überrollte,
als er dahingestreckt, als hilflos er
in seinem Blute auf dem Asphalt lag.
Und hast du Tränen, so vergieß sie jetzt,
denn hier in seiner Manteltasche liegt
noch unzerknüllt der Brief, den er an dich,
jawohl an dich und keine andre, schrieb.
(Pathos: Überzeugung durch Leidenschaft; Beeinflussung des Gefühls; mein Beispiel parodiert die berühmte aufwieglerische Rede von Antony in Shakespeares Julius Caesar: “Wofern ihr Tränen habt, bereitet euch, / Sie jetzo zu vergießen. Diesen Mantel, / Ihr kennt ihn alle; doch erinnr’ ich mich / Des ersten Males, daß ihn Cäsar trug / In seinem Zelt, an einem Sommerabend – / Er überwand den Tag die Nervier – / Hier, schauet! fuhr des Cassius Dolch herein; / Seht, welchen Riß der tücksche Casca machte! / Hier stieß der vielgeliebte Brutus durch; / Und als er den verfluchten Stahl hinwegriß, / Schaut her, wie ihm das Blut des Cäsar folgte, / Als stürzt’ es vor die Tür, um zu erfahren, / Ob wirklich Brutus so unfreundlich klopfte.” [das unerwartete “Hier, schauet!” sticht wie ein Dolch in die “Erinnerung”]; Cohortatio: leidenschaftliche Ermahnung, Aufforderung; Commiseratio: Mitgefühl ausdrücken und erbitten; Bathos: Stilbruch, z.B. durch plötzlichen Fall aus dem Pathetischen in’s Gewöhnliche)
Marlon Brando als Mark Antony in Julius Caesar (1953)