Glosse

          Grüne Hemden, die entzücken,
          denn sie sind so elegant.
          Nur in Grün bist du charmant,
          darf dich Rotlicht nicht bedrücken.

Alles Grüne, das wir sehen,
will erfreuen, will beglücken.
Wie? Du willst mich nicht verstehen?
Lass, mein Freund, die falschen Tücken
und hör auf, dich wegzudrehen!
Schaue, wie die grünen Blätter
jene alten Bäume schmücken.
Schau sie an, sie sind koketter
und auch du, mein Freund, wärst netter:
Grüne Hemden, die entzücken.

Selbst im Urwald lebt die Mode.
Selbst der große Elefant
hebt den Rüssel mit Methode
und mit zartem Kunstverstand
kleidet sich der Antipode.
Selbst die Muse der Meduse,
ist mitunter recht pikant,
kauft sie bei Beate Uhse
grüne Slips und eine Bluse,
denn sie sind so elegant.

Lass das Alte still vergammeln.
Gib den Schaben was zu Beißen.
Die Klamotten, die da bammeln,
sowas tragen nur die Preißen,
da sie meistens Preißisch stammeln.
Trau dich nur, ihn wegzuschmeißen,
deinen abgetragnen Tand.
Traue dich, die ollen weißen
Oberhemden zu zerreißen.
Nur in Grün bist du charmant.

Kleine, unsichtbare Mücken
sirren oft bei rotem Licht
und sie stechen in den Rücken
oder sogar ins Gesicht,
wenn wir uns nicht rasch verdrücken.
Mancher ist bei Rot gerannt
und geht heute noch an Krücken.
Doch in Grün bist du markant,
hast du alles in der Hand,
darf dich Rotlicht nicht bedrücken.

(ein Vierzeiler wird von vier Strophen glossiert [kommentiert, erläutert, bzw. ironisch in einen neuen Zusammenhang gestellt], wobei jede Zeile des Vierzeilers die Endzeile einer Glossen-Strophe wird; Reimschema: ababacdccd, hier: ababacbccb, mit Veränderungen; vergleiche auch ↪ Prosapodosis in “Humor”)

Ludwig Uhland: Der Recensent [Rezensent], 1813